Subject: Was kannst Du tun? From: "Bernd Strangfeld" Date: Tue, 13 Oct 2015 21:09:19 +0200 To: Ernstmeyer Lieber Jochen, heute haben wir Deine 3.Mail gefunden, nach den Dialogen, Margarets Rufen und Deinen Überlegungen, ob Du Margaret wecken sollst oder nicht.. Kannst Du sie denn überhaupt umziehen, wenn sie dabei gar nicht mithilft? Vielleicht hast Du inzwischen eine Antwort gefundenMargaret möchte gern "proper" sein, könnte ich mir vorstellen, meinst Du nicht? Und wahrscheinlich wird sie bald wieder einschlafen, wenn Du sie aufgeweckt hast. Es muss schlimm gewesen sein, sie stöhnen und schreien zu hören und sie dennoch nicht erreichen zu können. Sie lebt in einer anderen Welt, der Zugang dazu scheint verschlossen.Und Du möchtest ihr so sehnlich ihr Dasein erleichtern. - Deine Wiedergabe Eurer Dialoge waren ja richtige Szenen aus einem absurden Theaterstück, komisch, witzig, sehr anrührend. Dass sie Dir ein Verständnis für die Weissagungen des delphischen Orakels vermittelt haben, finde ich ganz wundervollen Humor.Tröstlich für Dich, dass Du in Margarets Gedanken und Gefühlen warst, da war doch noch etwas Gemeinsames. Jetzt scheint die Entfernung größer geworden zu sein. Gibt es auch dafür ein Rilke-Gedicht? Ich glaube, dass die Literatur ein wichtiges Refugium für Dich ist in diesen unendlich schwierigen und traurigen Situationen. Wir können Dich so gar nicht trösten, so gern wir möchten. Bist Du noch bereit für ein paar Mitteilungen aus unserem banalen Kiersper Leben? Wir sind am 8.10. abends aus Burgund zurückgekommen, wo wie noch 2 Tage Freunde besucht haben, die wir St.-Pierre verdanken. Beide sehr musikbegeistert und -kundig. In St.-Pierre gibt es immer Neues zu erfahren über die Geschicke der Menschen, die wir alle seit mehr als 10 Jahren kennen. Übrigens ist dort, im dünn besiedelten Südwesten mit viel Weidewirtschaft, die Rückkehr des Wolfs ein großes Thema. In Deutshland dagen steht das Flüchtlingsproblem an erster Stelle. Es kann so nicht weitergehen,der Zustrom ist gigantische, aber noch traut sich niemand, unangenehme Maßnahmen zur Eindämmung vorzuschlagen, aber die werden kommen müssen. Das wird Dich alles jetzt nicht beschäftigen, wie sollte es.Doch die Sorgen in unserem Lande wachsen. Es ist kalt geworden, minus 3 Grad heute morgen, das Feuer im eisernen Ofen bullert beruhigend. Wir denken an Dich in Deiner Einsamkeit und wünschen Dir und Margaret, dass alles ein gutes Ende nimmt. Viele liebe Grüße, Deine Gertraud und Bernd. P.S. Ich habe wieder die Fotos von Eurem Besuch in Goslar 1993 angesehen. Wie jung Margaret aussieht, wie hübsch, und wie sie strahlt!