Subject: am 28. Oktober 2016 From: Ernst Meyer Date: Fri, 28 Oct 2016 23:45:26 -0400 To: Bernd Strangfeld Liebe Gertraud, lieber Bernd, Dank, vielen herzlichen Dank für Gertrauds Postkartenbrief mit den Bildern von Sanssouci. Wenn ich mein alterndes Gedächtnis nicht täuscht, unterließ ich es Euern letzten e-mail Brief zu beantworten. Vergesslichkeit des Alters, und je älter ich werde, desto schneller das Vergehen der Zeit, ein Schwund den ich keineswegs beklage. Meine verkrüppelten Hüftgelenke verlangsamen alles was Bewegung erfordert fast bis zum Stillstand. Eine Feststellung, keine Klage. Seit dem 4. Oktober bin ich aus Konnarock zurück. Hab die 1368 Km weite Rückfahrt in 17 Stunden, mit vier halb-stündigen Unterbrechungen zum Schlafen, überstanden; und bin seit meiner Ankunft hier in Belmont ununterbrochen betätigt, wenn Schlafen und Schreiben auch als Tätigkeiten gelten. Klemens und ich haben im Parterre sämtliche sieben zerbröckelnde Fenster mit sogenannten "replacement windows" (Ersatzfenstern) ausgewechselt, und vier in der zweiten Etage des alten Teils des Hauses. Acht weitere Fenster sind bestellt und werden Ende November lieferbar. Ob wir dazu kommen sie im Winter einzusetzen oder ob wir bis zum Frühling warten müssen, wird sich ergeben. Weiß nicht ob ich Euch mitteilte dass Herman Walls am 9 Oktober 2015, - also fünf Tage vor Margarets Sterben - im Pflegeheim in Chilhowie tödlich verunglückte - wenn man von einem sich im Sterben befindenden dementierten Mann den Tod als ein Unglück statt als ein Glück bezeichnen darf. Tatsache, dass Herman unüberwacht sich aus seinem Rollstuhl erhob, zu Boden fiel und sich den Schädel zerschmetterte. Jeane, auf die Ihr Euch besinnt, legt viel Wert aufs Geld, witterte die Möglichkeit aus Hermans Tod ein geringes - oder nicht so geringes Kapital zu schlagen, und drängte auf Schadensersatz, und um die 40 Prozent Anwaltsspesen zu sparen, bediente sich Jeane meiner Hilfe, die ich ihr, natürlich kostenlos, gewährte. In Folge einer Korrespondenz die ich ihr diktierte, ließ Jeane sich zuletzt mit der Summe von $50.000 (fünfzigtausend Dollar) abfertigen, ganz ohne Anwalt. Weitere Neuigkeiten: Am 16. Oktober eine aufwendige Hochzeitsfeier meiner Enkelin Rebekah, jetzt praktizierende Tierärztin, die sich mit einem Ingenieur Namens Swartz vermählte, einem Menschen der mir einst vorgestellt wurde ohne dass sich auch nur die flüchtigste Unterhaltung entsponnen hätte. Ende Dezember erwarten Nathaniel und ich den Besuch einer Wiener Musikerfamilie, bestehend aus Herrn Marco Basili, seiner Frau Ariadne Basili-Canetti, und seiner Tochter Cristina Basili. Cristina ist, laut Nathaniels Bericht, eine hervorragende Cellistin, von Nathaniel eingeladen als Solistin in zwei von ihm veranstalteten und dirigierten Konzerten, eins in Belmont und eins in Cambridge, aufzutreten. Die beiden jungen Menschen begegneten einander letztes Jahr bei Gelegenheit einer Konzertreise nach Estland. Nathaniel spricht besonnen und nüchtern über seine Gefühle, und wartet mit Geduld was sich aus dieser Bekanntschaft entwickeln möchte. Was sich für mich entwickelt ist Aufräumen und Saubermachen des Hauses, besorgen dass genügend Handtücher und Bettwäsche zugegen sind, und die notwendige Abstimmung des Gemüts, Vorsicht nicht zu viel und nicht zu wenig zu reden. Am 17. November ist ein Verhör vorm Revisionsgericht (Massachusetts Appeals Court) betreffs meiner Streitigkeiten mit der Insel angesetzt. Wird zunehmend interessanter in Hinsicht auf unvorstellbare Rechtsbeugung auf Seiten der Staatsanwaltschaft mit einem monumentalen Aufwand an Unwahrheit welche selbst George Orwell sich nicht hätte träumen lassen. Für mich lehrreich betreffs des Wesens der Regierung und sehr spannend. Denke manchmal dass es diese Geistesübungen sind die mich am Leben halten. Und nun Gute Nacht; herzliche Grüße an Euch beide. Jochen