Subject: Dein Brief vom 2.März From: "Bernd Strangfeld" Date: Thu, 30 Mar 2017 22:14:59 +0200 To: Ernstmeyer Lieber Jochen, so lange hatte ich wirklich nicht warten wollen mit einer Antwort auf Deinen langen philosophischen Brief, aber der Frühling hat uns auf ganz andere Gedanken gebracht, nämlich den Garten von allerlei Winterlasten zu befreien und uns in die Lage zu versetzen, demnächst überwiegend betrachtend die Wege entlang zu schlendern und zu warten, was weiter so geschieht. Das haben wir nun weitestgehend geschafft. Dann bekamen wir erfreulicherweise viel lieben Besuch, der nach der Abreise wie immer erst einmal eine schmerzliche Lücke ließ, die wir nun durch neue Pläne bzw. Wiederbelebung schon beschlossener Pläne zu füllen suchen. Nach philosophischen Überlegungen ist mir eher selten zumute, wie Du ja zu Deinem Leidwesen schon lange hast feststellen müssen, und so lese ich Deine Ausführungen zwar mit Interesse und auch mehrmals, aber dazu fällt mir nichts Kluges ein, das Dich ehrend jetzt erfreuen könnte. Es ist auch Stimmungssache, in dunklen Zeiten bin ich eher geneigt, während Sonne, Helligkeit und allgemeines Sprießen mich aufs Praktisch-Irdische, Erdenhafte ablenkt. Leider! Dabei hätte Dein Brief wahrlich Einfühlsameres, Klügeres verdient, und nun hast Du auf diese Absage auch noch so lange warten müssen. Gerade versuche ich mal wieder zu verstehen, was Dein Katenus mit "Entidealiserung" meint und warum er glaubt, dass das die Philosophische Aufgabe unserer Zeit sei. Ideale scheinen mir schon sehr nötig, ich würde sie keineswegs abschaffen, sind sie nicht wichtige Stützen im wirren Leben? Aber Katenus meint wohl etwas anderes. In Bezug auf Nantucket finde ich seine entidealisierenden Überlegungen oder Forderungen ganz unangebracht, denn obwohl Gerechtigkeit und Rechtsprechung oft weit auseinanderklaffen, gibt es doch ein ziemlich unbeirrbares menschliches Empfinden für das eigentlich Angemessene. Finde ich jedenfalls. Kennst Du das Buch von Ralph Giordano, "Israel, umd Himmels Willen Israel"? Ein JoUrnalist und Schriftsteller, in Hamburg geboren, Mutter Jüdin, die Familie schlimm verfolgt während der Nazizeit. Er glaubt an keinen Gott, bezeichnet sich aber als Jude. Wie geht das? Er hat für dieses Buch längere Zeit in Jerusalem gelebt, ganz Israel bereist, mit Menschen aller Herkunft und Erfahrungen und Auffassungen gesprochen, und obwohl das Buch in den achtziger Jahren erschienen ist, wirkt beängstigend aktuell. Da arbeite ich mich seit einiger Zeit hindurch. Dank auch für Deine biblischen Segenssprüche, schön, dass Du so freundlich an uns denkst. Mich gruselt trotzdem ein wenig dabei. Ich bin etwas allergische gegen religiöse Manifestationen. Wenn es Dich aber erfreut, erwidere ich gern Deine guten Wünsche! Den griechischen Text vermag ich leider nicht zu lesen. Wir grüßen Dich sehr herzlich! Gertraud und Bernd.