19970405.00

     Die husserlsche Phaenomenologie ist gueltig insofern sie in
der "Epoche", in der "Einklammerung" die subjektive Komponente
aller geistigen Taetigkeit im allgemeinen, und jeder Erkenntnis
im Besonderen hervorhebt.

     Die Verwertung dieser Einsichten jedoch ist fehlerhaft.
Erstens ist die Behauptung irrtuemlich, dass eine
phaenomenologische Methode auch die Subjektivitaet anderer zu
erschliessen vermoechte. Subjektivitaet vermag stets nur
subjektiv erlebt, nie als ein objektiver Gegenstand dargestellt
zu werden. Deshalb ist es ein Widerspruch die psychischen
Vorgaenge des anderen, - oder der anderen, - erkennbar zu machen
zu beanspruchen.

     Der zweite Irrtum ist die Behauptung die phaenomenologische
Methode vermoechte, durch die Einbeziehung der Subjektivitaet,
eine Grundlage fuer eine allgemeine universelle Wissenschaft
bieten. Die Wissenschaftlichkeit liegt ausgerechnet im
Ausschliessen des Subjektiven. Wissenschaft muss objektiv sein,
und unabhaengig von dem inneren Erleben des Forschers.  Die
Objektivitaet der Wissenschaft ist die Ursache fuer ihre
gewaltige Wirksamkeit; setzt der Wissenschaft aber auch
unueberwindbare Grenzen, insofern sie die Gefuehle, die Psyche,
die Innerlichkeit des Einzelnen nie zu begreifen vermag.

     Die Objektivitaet der Wissenschaft besteht in ihrer
gesellschaftlichen Universalitaet; besteht darin, dass die
Evidenz und die Schluesse der Wissenschaft fuer alle beteiligten
Gesellschaftsmitglieder dieselbe kanonische Bedeutung haben. Das
Uebereinkommen ueber wissenschaftliche Wahrheit ist ein
gesellschaftlicher, ein politischer Vorgang und unterliegt
derselben Fehlerhaftigkeit wie andere politische Vorgaenge. Es
ist eine allgemeine Erscheinung, dass die Wissenschaft stets eine
Gueltigkeit und Vollkommenheit (perfection) beansprucht, welche
sie offensichtlich nicht hat und nie haben kann.

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