19970409.00

     Bemerkenswert und bestaendig missverstanden, wo nich
uebersehen, ist die die Bedeutung, in kosmologischer,
psychologischer und theologischer Hinsicht, von Descartes
Wiederherstellung, durch goettliche Einmischung, der durch
Skepsis zerstoerten Welt.  Descartes beschreibt bekanntlich, wie
er an allem gezweifelt habe, bis die Zuverlaessigkeit seiner
sinnlichen Wahrnemungen ihm durch die Zuversicht gewaehrleistet
wurde, dass Gott ihn nicht taeuschen wuerde, und diese selbe
Zuversicht dient dann, wenn ich mich recht besinne, zur Grundlage
auf welcher, waehlerisch zugleich doch vollstaendig, eine neue
Welt, den Anspruechen der modernen Wissenschaft genuegend, wieder
aufgezogen wird.

     Wenn man den Gottesbegriff leichtfertig beiseite schiebt,
wenn man "nicht an Gott glaubt," wie etwa die Lehrer welche mir
einst Descartes zu erklaeren versuchten, dann erscheint dieser
Beweis der Gueltigkeit der Wahrnehmungen durch die
Zuverlaessigkeit Gottes als etwas Laecherliches, als ein geistig
groteskes Unternehmen; und Descartes erscheint wie ein Clown der
sein Publikum mit geringfuegigen Wortspielen unterhaelt.

     Was Descartes mit dieser Erklaerung auffuehrt ist freilich
eine unerwartete und ganz sicherlich unbeabsichtigte Parodie der
Schoepfungsgeschichte der Welt; denn vergleichbar wie Gott die
Welt urspruenglich schuf, einen Tag nach dem anderen, so schafft
er ein weiteres Mal die gueltige Vorstellung der Wirklichkeit im
Gemuet des Zweifelnden.  Auch ist bemerkenswert, dass die
urspruenglichen Schoepfungstaten geistige waren, dass Gott
mittels von Begriffen, mittels von Worten, mittels von Ideen oder
Idealen, also in echt idealistisch-platonischer Weise ans
Schaffenswerk ging.  Heisst es doch bei jeder Schoepfung: "Und
Gott sprach ..."

     Es ist kein Grund zu vermuten, dass Descartes sich Gott
irgendwie anders als gegenstaendlich, als objektiv vorstellte.
Ebensowenig wie er sich bewusst gewesen war, mit seinem Zweifel
die Geisteswelt unwiederruflich in Subjekt und Objekt zu spalten,
und es lag gewiss nicht in seiner Absicht die unumgaengliche
Subjektivitaet Gottes zu postulieren, die uns erst jetzt nach so
vielen Jahrhunderten, ausgerechnet in Folge Cartesischen
Zweifels, unentrinnbar erscheint.

     So ist es aber nun geschehen, und wir, die mit ihm das
urspruengliche Zweifeln vollzogen und mit ihm die moderne
Wissenschaftswelt erfunden und ausgestattet haben, stehen nun der
Notwendigkeit eines zweiten Zweifels gegenueber.  Dieses Mal gilt
der Zweifel aufs neue der gedeuteten Welt.  Denn besonders wenn
wir uns auf die moderne, zeitgenoessische Zweifelnsnotwendigkeit
besinnen, wird uns die Wirksamkeit des Zweifelns als
unentbehrliche geistig-seelische Reinigungsaktion gegenwaertig.
Aus dem Verlauf des Arguments aber erscheint uns dann unsere
unbedingte Abhaengigkeit von der subjektiven Gottesfunktion, wie
immer sie bezeichnet, wie immer sie bewertet werden mag,
unentrinnbar.

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