19970421.01

     Ich bediene mich des Begriffes Wirklichkeit.  Was soll, was
darf ich mir darunter vorstellen?  Zum ersten frage ich mich wo
und auf welchem Wege oder ob ueberhaupt mir die Wirklichkeit
erreichbar waere.  Wo immer ich mich hinwende auf der Suche nach
Wirklichkeit begegne ich doch immer nur dem objektiven, dem
gegenstaendlichen Wissen, von dem ich im voraus weiss, dass es
mich enttaeuschen wird.  Es ist als wirke das objektive Wissen
wie ein Schirm, der mich von der Wirklichkeit trennt.  Wenn die
Wirklichkeit tatsaechlich unerreichbar ist, frage ich mich, warum
bediene ich mich dann ueberhaupt dieses Begriffes? Wenn ich die
Wirklichkeit nie erreichen, nie begreifen nie ergreifen vermag,
weshalb lasse ich sie dann nicht ganz fahren?  Die Antwort: weil
ich, obgleich sie mir ungreifbar ist, ihrer dennoch bedarf.

     Wirklichkeit ist die Eigenschaft (Charakteristik) meines
Denkens und meines Erlebens welche dieses Denken oder Erleben
buendig, gueltig, konsequent, wirksam macht. Diese Bestimmung
setzt voraus, dass tatsaechlich betraechtliche Teile meines
Denkens und Erlebens ungueltig sind: fehlerhaft, irreleitend und
unzuverlaessig.  Und welches diese Teile sein moechten, und in
welcher Hinsicht unzuverlaessig, und in welcher Hinsicht gueltig,
das ist vorerst garnicht offensichtlich, gewisslich nicht in der
Voraussicht.  Es stellt sich heraus erst in dem Engagement, in
der aktualitaet des Handelns, und vielleicht manchmal auch nur im
Rueckblick, und - ehrlich gesagt, manchmal garnicht.  Unter
diesen Umstaenden waere die Vorstellung der Wirklichkeit eben nur
dies: eine Vorstellung, eine Hypothese, eine Annahme welche
bestimmte Eigenschaften der Erfahrung, des Erlebens, des
objektiven Wissens bezeichnet, - unabhaengig von diesen jedoch
nur eine theoretische Existenz hat.

     Dass es Wirklichkeit gaebe wuerde dann bezeichnen, dass
meinem Denken, meinem Erfassen, meinem Erleben eine gewisse
Gueltigkeit zukaeme, und je buendiger, wirksamer meine
Taetigkeit, umso hoeher das entsprechende Mass der Wirklichkeit.

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