19970424.02
Ein bedeutender Ansatzpunkt fuer unser Nachdenken ueber
Kierkegaard ins besondere und ueber unsere Vorstellungen von
unserem geistigen Schicksal im allgemeinen ist der Gottesbegriff;
denn es liegt auf der Hand, dass, ungeachtet der grossen
Bedeutung welche die Vorstellung des Goettlichen in der
Vergangenheit gespielt hat, das moderne Denken wenig Verstaendnis
fuer das Goettliche eruebrigt. Gott erscheint uns ueberfluessig,
nebensaechlich, unsinnig. Vielleicht wurzelt der Zauber den
Kierkegaard ueber uns ausuebt wenigstens zum Teil in der
Tatsache, dass hier zum letzten Mal in der abendlaendischen
Geistesgeschichte einer den Namen Gottes anruft und es damit
ernst zu meinen scheint. Oder taeusche ich mich? Sollte auch der
Gottesbegriff ein Opfer kierkegaardscher Dialektik sein?
Die Theologie wird dadurch erschwert, dass, in der
Vergangenheit das Gottesbewusstsein universell zu sein schien,
allenfalls das Gottesgeplapper; denn jedermann erachtete es seine
Obliegenheit ihn zu "preisen", ihn anzubeten, an ihn zu
"glauben"; und wer murrte und seinen Zweifel ehrlich gestand, wer
es unterliess sich dem allgemeinen Wahn zu beugen, den
brandmarkte man als Ketzer, der wurde verbrannt.
Mir scheint aber gerade dieses von Bedeutung, dass die
Zweideutigkeit in Bezug auf das Wirken Gottes keineswegs etwas
neues ist. Im Gegenteil, diese Zweideutigkeit ist schon fast
ganz am Anfang der religioesen Ueberlieferung erkennbar. Ich
denke dabei an Abrahams Reise zum Berg Moriah, an das erste
Gebot, an Jesajas Erkennen des Gottesboten und vor allem an
Jesus, jenen Gegengott, der den Umsturz des religioesen Ethos
seiner Zeit herbeifuehrte. Bei all den nachweisbaren
Verwandlungen der religoesen Praxis, sind doch die Funktionen
welche das Goettliche im Gemuetsleben des Menschen spielt, soviel
ich sehen kann, verhaeltnismaessig bestaendig.
Aus diesem Zusammenhang ensteht die Kernfrage nach der
Objektivitaet, bezw. Subjektivitaet Gottes. Hier leistet die
Subjektivitaetsanalyse den ersten grossen Dienst; und hier traegt
diese Analyse, wenn ich sie recht verstehe, mit die wertvollsten
Fruechte. Es ist keineswegs zu verwundern, dass alle
urspruenglichen Vorstellungen von Gott seine Gegenstaendlichkeit
hervorhoben, dass sie ihn zu einer Person dichteten, zu einem
Gaertner, einem Herrscher, einem Koenig, einem Vater. Mit diesen
Vorstellungen verbanden die Menschen das Postulat von Gottes
Unsichtbarkeit, ja von seiner Unerkennbarkeit. Offensichtlich
befanden diese Glaeubigen sich in einer zweideutigen Lage. Sie
verstanden dass ein Gott der unerkennbar, unsichtbar, unnennbar
war, nicht gegenstaendlich, nicht objektiv sein konnte, und doch
vermochten sie sich ihn nur als gegenstaendlich, als Person,
vorzustellen. Diese Unbestimmtheit der Darstellung durchdringt
auch Kierkegaards Theologie. Bei all seiner Bemuehung um das
Subjektive, ist ihm die Darstellung Gottes als eine dem Menschen
nur subjektiv erkennbare Gestalt dennoch nicht gelungen. Es ist
unwahrscheinlich, dass es uns gelingen wird in diesem Punkte
ueber Kierkegaard hinaus zu kommen. Aber vielleicht sollten wir
es dennoch versuchen.
* * * * *
Zurueck
Weiter
Inhaltsverzeichnis