19970427.01

     Das Ichbewusstsein des Subjektiven Menschen geht ins
vermeinte Wissen um das Welt-Historische ueber.  Das Ich ist sich
zugleich seiner selbst bewusst und der Umstaende in denen es sich
in seinem Selbstbewusstsein erscheint.  Das Bewusstsein des Ich,
des Subjekts ist stets mit dem Bewusstsein der objektiven
Umstaende seiner jeweiligen Existenz verknuepft.

     So wie jedes Bewusstsein Selbstbewusstsein ist, so ist alles
Wissen das dieses Selbstbewusstsein unvermeidlich begleitet im
Grunde welt-historisches Wissen.  Denn es kennt keine Grenzen von
hier und jetzt.  Ob es von nah oder in der ferne erscheint ist
lediglich eine Frage der Betonung.  Auch ist, genauer bedacht,
dem Wissen, - und dabei meine ich immer das Wissen um
Gegenstaende, - das Naechste kaum naeher als das Fernste.  Den
alles Wissen ist zufaellig und alles Wissen ist relativ
(verhaeltnismaessig).  Das gueltigere Wissen unterscheidet sich
von dem weniger gueltigen lediglich durch seine Nuetzlichkeit,
durch seine Wirksamkeit, durch seine Verlaesslichkeit im
praktischen Handeln.  In Bezug aber auf eine etwaige
Korrespondenz mit der Wirklichkeit, mit den Dingen an sich, in
Bezug auf transzendentale Wahrheit ist das Wissen um das Naechste
nicht mehr oder weniger gueltig als das Wissen um das Fernste.

     Kierkegaards Betonungs des Subjektivwerdens scheint mir zum
Teil in der Geschichte unserer Religion, der juedisch-
christlichen, begruendet zu sein, insofern als schon die Gebote
seinen Namen nicht zu nennen und sich kein Bildnis von ihm zu
machen als Abweisungen vom Aussen zu gelten haben.  Zum Teil
liegt die Forderung des Subjektivwerdens aber auch in den
wechselnden Gesellschaftsumstaenden der Zeit, die durch
gesteigerte Mitteilungsmoeglichkeiten gezuechtete Technik, und
der Verlust an Einzelheit und Individualitaet welche die
Rationalisierung des Lebens unvermeidlich nach sich zieht.  Dass
diese Forderung nie erfuellt wird, dass der Mensch genoetigt ist
lebenslang sich der Aufgabe subjektiv zu werden zu widmen, besagt
zuletzt dass das hier gesteckte Ziel unerreichbar ist,.  es sei
denn dialektisch im Tode. Und weil sie unerreichbar ist, muss die
Aufgabe als ideale Forderung betrachtet werden.

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