19970501.00

     Ueber Kierkegaards Aufruf ein Subjekt, oder subjektiv zu
werden, folgendes: Diese Trennung von Subjekt und Objekt ist,
denke ich, ein Echo der alten Unterscheidung von Koerper und
Seele.  Die Anforderung subjektiv zu werden erinnert an die
Mahnung: Suchet erst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit.
Die Forderungen, die Aufrufe, die Mahnungen, sie wiederspiegeln
alle die Unzulaenglichkeiten und die Enttaeuschungen unseres
Daseins, die Tatsache, dass uns ein Traumbild, ein Ideal
vorschwebt; und dass wir in dem Versuch dies Ideal zu erreichen
unser Leben aufreiben, und uns hernach ueberzeugen, dass in der
Sehnsucht und Suche nach diesem Ideal unsere Seligkeit bestuende.
Vielleicht tut sie das: vielleicht auch nicht.  Jedenfalls
muessen wir, um zu ueberleben, verstehen; und die Qualitaet
unseres Ueberlebens haengt von der Qualitaet unseres Verstehens
ab.  Nicht weil das Verstehen uns Seligkeit beschert schaetzen
wir es, vielleicht tut es das auch, aber vorerst weil wir des
Verstehens beduerfen um unseren Weg durch eine verworrenen Welt
zu finden.  Der Gegensatz von Subjekt und Objekt, von Seele und
Koerper, hat seine Bedeutung in der Ethik wie in der
Erkenntnistheorie; und auf beiden Gebieten gilt es in
vergleichbarer Weise vorzugehen: die Idealitaet des Wunsches nach
Vollkommenheit anzuerkennen; zugleich aber einzusehen, dass diese
Idealitaet unerreicht und unerreichbar ist.  Und dann die
Spiegelbilder des Konflikts von Beispiel zu Beispiel
wiederzuerkennen.

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