19970519.00

     Schopenhauers Welt als Wille und Vorstellung.  Welch eine
Musik der Worte!

     Vieles gibt zu denken: Schopenhauers eigene Versessenheit
auf welt-historische Bedeutung, das ueberfluessige Reden von
Dingen die der Verfasser nicht weiss, wenn schon weil sie an sich
(inherently) unwissbar sind.

     Dass eines jeden Menschen Welt seine Vorstellung ist,
scheint mir eine Selbstverstaendlichkeit. Dass diese Vorstellung
nicht rein subjektiv waere, sondern ausserdem Merkmale von
Objektivitaet aufweist, ist gleichfalls bedeutend.  Wenn
innerhalb der Vorstellung eine Grenze zwischen Subjektivitaet und
Objektivitaet zu ziehen ist, dann sind die Grenzphaehle von
wesentlicher Bedeutung.

     Das Zusammenfallen in der Vorstellung von Innerem und
Aesserem in der Vorstellung, von Subjektivitaet und
Objektivitaet, von Privatem und Allgemeinem ist viel besagend:
ein Ausgangspunkt weit reichender Ueberlegungen, von dem aus viel
ueber den Menschen und sein Weltelebnis zu erschlieesen ist.

     Auch die dem Willen zuerkannte Wesentlichkeit ist
einleuchtend.  Dabei finde ich es ueberfluessig und verwirrend,
den Willen dem Ding an Sich gleichzusetzen wie Schopenhauer es
tut.  Es ist in diesem Willen eine Aehnlichkeit mit Bergsons Elan
Vital, mit Nietsches Willen zur Macht, und vielleicht auch mit
Kierkegaards unendlich interessierter Leidenschaft.  Doch was man
erkennt ist immer nur der eigene Wille.  Den Willen
seinesgleichen ahnt man nur. Der Wille des Fremden, des Steines,
des Baches etwa, oder der Pflanze ist mir voellig verhuellt.
Nichts wird dadurch gewonnen, und vieles wird verloren, wenn man
das Erlebnis des eigenen so lebhaften unmittelbaren Willen dazu
missbraucht ueber Unerkennbares zu spekulieren.

     Die Aufgabe bleibt, schlicht, wie sie es von jeher gewesen
ist, sich selbst zu erkennen, im immerwechselnden Bewusstsein des
eigenen Willens und in der immerwechselnden Vorstellung von der
Welt welche von diesem Willen, von diesem Bewusstsein von Jahr zu
Jahr, von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick geschaffen
wird. Daran allein sollte man genug zu tun haben.

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