19970608.00
Die Voraussetzung subjektiver Identitaet.
Es liegt inbegriffen in all meinen Mitteilungsversuchen,
dasz der andere faehig ist mich zu verstehen. Soweit er mich
verstehen kann, musz sein Gemuet dem meinen gleichen.
Inbegriffen in all meine Mitteilungsversuche ist die
Voraussetzung einer Allgemeinheit, einer Gleichheit im Geiste der
Menschen, an welcher Gleichheit jeder einzelne Mensch insofern er
Mensch ist teilhat. Das ist die theoretische Voraussetzung nicht
nur menschlicher Mitteilung (communication) sondern auch
menschlicher Gesellschaft.
Nun ist diese Voraussetzung aber nicht voellig stichhaltig:
anderweitig gaebe es keine Miszverstaendnisse unter den Menschen.
Etwas Entgegengesetztes ist ebenso wahr: naemlich dasz kein
Mensch _voellig_ dem anderen gleicht; und dasz dementsprechend
die Verstaendigung nicht darin besteht, dasz der zweite Mensch
die Mitteilung des ersten genauso deutet wie dieser. Sondern,
dasz die Verstaendigung den zweiten Menschen um ein Bestimmtes
verwandelt, und dasz die Mitteilung in der von ihr bewirkten
Verwandlung besteht. Damit waere angedeutet, dasz die Menschen
einander keineswegs gleich _sind_, sondern dasz das
unuebersichtbare Meer von Mitteilungen es so erscheinen laeszt,
als ob sie einander gleich waeren.
Dieser Deutung zufolge ist denn die Mitteilung meinerseits
ein Ruf um Verstaendigung, ein Ruf um Hilfe. Und die Annahme,
dasz ich Verstanden wuerde ist eine beruhigende Taeuschung.
Dieser Erklaerung entsprechend waere es anzunehmen, dasz jeder
den anderen, insofern er ueberhaupt auf ihn reagiert, um ein
weniges, manchmal um ein sehr weniges versteht; aber niemals
vollkommen, niemals erschoepfend.
* * * * *
* * * * *
Zurueck
Weiter
Inhaltsverzeichnis