Lieber Helmut,
Ich will mich bei Dir entschuldigen schon heute, so baldig,
ja es moechte scheinen, uebereilt, auf Deinen Brief vom 5. des
Monats zu antworten, und Dir dadurch ein vergleichbar uebereiltes
Antworten auch auf diesen Brief abnoetigen zu scheinen. Das ist
aber keineswegs mein Sinn. Ich bin mit Deinen Gepflogenheiten
jedenfalls soweit vertraut, dasz ich mir vorstellen kann, dasz
viele Monate vergehen mueszten, eh Dir die knappe Zeit, - oder
die duldende Stimmung - eine Antwort auf meine grueblerischen
Ergieszungen erlaubte. Darueber will ich mich nicht beklagen.
Meinerseits beruht dann ja die fast postwendende Antwort
keineswegs auf Zudringlichkleit, obgleich es so scheinen moechte,
sondern auf jener gnadenvollen geistigen Schwaeche des Alterns,
der Vergesslichkeit, welche bewirkt, dasz der starke Eindruck des
Gelesenen sich allzuschnell verfluechtigt, und dasz wenn nicht
sofort, ich vielleicht Deinen Brief nimmer beantworten wuerde, es
sei denn, dasz das Gemuet den einst gelesenen Brief sozusagen ein
zweites Mal entdeckte; eine Moeglichkeit auf die ich mich jedoch
nicht verlassen moechte. Und so schreibe ich dir aus
zugestandener Geistesschwaeche, aus Senilitaet, und dieselbe
Gebrechlichkeit welche die Verfruehtheit meines Briefes erklaert,
soll auch seinen Inhalt entschuldigen.
Ueber Deine Beschreibung des vom Fuchs bewachten
Dichterhauses bei Gilleleje, ueber das Bild der spindelduerren,
ausgezehrten Dichterin hab ich mich besonders gefreut, als
Bestaetigung der stellvertretenden Macht des Gedichtes unsere
Vorstellung an die entferntesten Kuesten zu versetzen, und
weiterhin als Bestaetingung meiner Ueberzeugung, dasz alles
Lesenswerte, wenn nicht dem Traum, so dennoch der "naechtlichen
Geschwaetzigkeit", der Du Dich bezichtigtest, entspringt.
Inzwischen werde ich zum Troedelsammler, - oder bin schon zu
einem solchen geworden. Vor etwa zwei Monaten bekam ich ein
Angebot von einem meiner Praxis benachbarten
Sozialfuersorgeinstitut, den von mir dort unbenutztem Raum zu
mieten, und dies zu einem sehr guenstigen Preis. So habe ich nun
die vergangenen Tage und Wochen mit dem aus und Umraeumen
verschiedener Warte und Untersiuchungszimmer verbracht; und
entdecke dabei dasz ich kaum etwas wegwerfen will, dasz ich kaum
etwas wegwerfen kann! Nicht des monetaeren Wertes halber, der ist
ohnehin gering, und mir gleichgueltig, aber wegen der
Erinnerungen welche die verschiedensten Gegenstaende ausloesen
und bekraftigen. Und so kommt zu der ohnedies schon
ueberfuellten Garage, dem Keller noch sehr vieles Weitere hinzu
indessen Anbetracht ich buchstaeblich hilflos bin es zu
sortieren, zu ordenen, und in veruenftiger Weise unterzubringen.
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