19970625.00

     Das Gottesbewusztsein als der archimedische Punkt: Der
archimedische Punkt, so denke ich mir, war ersonnen um ein
mathematisch mechanisches Verhaeltnis zu erklaeren.  dient aber
in wunderlicher Weise das psychophysische Paradox zu erlaeutern.
Die Erde, um deren moegliche Bewegung es sich hier handelt, mag
als symbolisch fuer die Welt der Gegenstaende gelten; und der
Standpunkt von wo sie bewegt wird, waere Ausdruck der
Subjektivitaet, der Innerlichkeit, des Willens des Einzelnen.
Der erbetene Standpunkt ist aber immer nur vorgestellt;
tatsaechlich ist er unerreichbar, nicht weniger unerreichbar als
die objektfreie Subjektivitaet.

                     =======================

     Das psychophysische Paradox, das Subjektivitaetsparadox
ergibt sich aus der allgemeinen Unzulaenglichkeit unserer
Begriffssetzung. Die Unvereinbarkeit des Subjektiven mit dem
Objektiven ist Spiegelung nicht einer Schisis, Spaltung, Kluft
unseres Erlebens, sondern in der Faehigkeit diesem Erleben
sprachlichen Ausdruck zu geben.  Es ist naemlich ein Fehler das
Erleben durch die Sprachea zu begrenzen (einzugrenzen, to limit)
Massgebend ist das Erleben, nicht der Begriff, nicht die Sprache.

     Es ist ein (grosser) Fehler, anzunehmen, und vorauszusetzen,
dasz die Sprache ein genuegender (sufficient) Ausdruck des
Erlebens sei. Nein, dies ist wahrhaftig nicht der Fall: und
oftmals wirkt die Sprache dem Verstaendnis entgegen, schafft ein
gekuensteltes Wissen, verleitet den Menschen in eine
Maerchenwelt.  So mag man die Philosophie als ein Ringen um die
Sprache betrachten, eine Entwicklung welche bestrebt ist,
fortschreitend das Denken dem Erleben anzupassen. Und insofern
man von der Sprache ein Spiegelbild des Erlebens erwartet, eben
eine Unzulaenglichkeit (Mangelhaftigkeit, deficiency) dieses
Bildes.

     Wiederum aber soll die Theorie, das Denken, die Philosophie
als Betaetigung des Einzelnen betrachtet werden; als
fortschreitende Entwicklung nach einem Ziel, als Denken, Sehen,
Verstehen Erkennen lernen; wobei die Sprache das wichtigste
Mittel ist, aber doch immer nur ein Mittel.  Da nun jeder Mensch
diese besondere Art des Denkens lernen musz, so ist die
Philosophie nie an ihrem Ende.  und ihre groeszter Fehler ist
anzunehmen dasz sie ein Ende, einen Beschlusz finden koennte,
oder dasz sie ihn gar gefunden haette.

     Man bemuehe sich um Virtuositaet in der Philosophie, wie man
sich um die Musik, um die Malerei, um die Dichtung bemueht; und
gelangt doch niemals zur Vollendung.  Kierkegaards Formel
betreffs der Notwendigkeit ein Subjekt zu werden ist zu
einseitig.  Als reines Subjekt vermag man nicht zu leben.  In
gewissem Sinne ist die Aufforderung, Subjekt zu werden eine
Lockung in die Hinterwelt, ins Jenseits, welcher der Mensch nicht
folgen darf.

     Die Religion ist kein Ersatz fuer das Denken, fuer die
Philosophie. Es besteht keine Notwendigkeit fuer eine
uebernatuerliche Erloesung.  Das Leben selbst ist die Erloesung.
Das aber, wovon der Mensch erloest zu werden bedarf ist sein
Aberglaube; und davon vermag nur sein Leben, sein Erleben ihn zu
erloesen.

                            * * * * *

Zurueck

Weiter

Inhaltsverzeichnis