19970627.00
Das Beduerfnis nach Einsamkeit ist ein erbaermliches Zeugnis
der Widerspruechlichkeit des Menschenwesens, oder jedenfalls
seiner Unzulaenglichkeit. Denn es ist ja so offensichtlich, dasz
der Mensch nur in Gesellschaft zu gedeihen, ja auch nur zu leben
vermag; und wenn er dieses Gesellschaftslebens ueberdruessig
wird, wenn er sich nicht mehr vertraut dessen Aergernisse zu
bewaeltigen, dasz er sich dann in selbst-truegerischer Weise mit
Vorstellungen von Einoede, Wildnis, Einsamkeit troestet, in
welcher er ohne Beistand (unaided) kaum einen Tag, geschweige
denn einen ganzen Monat zu ueberleben vermoechte.
In diesem Falle wie in anderen lassen sich die
Unbestimmtheiten, die Fragwuerdigkeiten auf die
Unzulaenglichkeit, auf die Problematik auf die Unvollkommenheit
der menschlichen Natur zurueckfuehren. Ist damit alles gesagt?
oder nichts? Ist es zu verwundern oder zu beklagen, dasz die
Natur des Menschen nicht "vollkommen" ist? Und was heiszt
"vollkommen"? Sollte ich sagen, dasz die Spannungen des
Wachstums, die Enttaeuschungen des Alterns, dasz alles was nicht
unseren Erwartungen entspricht, dasz alles was Unbehagen oder
Schmerz bereitet als Unvollkommenheit zu beklagen waere? Arguably
- Man koennte behaupten, dasz die menschliche Natur so wie sie
ist gut und und vollkommen waere. Dasz unsere Krankheiten, unsere
Leiden, unser Sterben auch zu unserem Leben gehoerten und ein
Teil von ihm sind. Und dasz das Nachgruebeln, das Philosophieren
so oder anders auch dazu gehoert.
Man mag das Philosophieren als Korrektur fuer die
Unzulaenglichkeiten betrachten; oder aber man kann es als einen
unentbehrlichen Bestandteil eines Lebens betrachten, das in
seiner Weise vollkommen ist, das zu seiner Vollkommenheit des
Philosophierens als Bestandteil bedarf. (Man lache nicht!) Das
aendert nichts an der Vollkommenheit.
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