19970716.00

     Die skeptische Zurueckhaltung, dem vermeintlichen Wissen
gegenueber, so will ich nennen, was Edmund Husserl mit dem
Ausdruck transzendentale Reduktion gemeint haben mag: die
skeptische Zurueckhaltung ist eine Denkweise, eine bezeichnende
Charakteristik des Geistes welche all unser Denken in mehrerem
oder minderem Masze begleitet, begrenzt, begruendet, zu Grunde
liegt.

     Es ist moeglich eine allgemeine andeutende Erklaerung ueber
die skeptische Zurueckhaltung abzulegen; eine solche Erklaerung
jedoch musz denjenigen unverstaendlich bleiben, die nicht von
selbst, oder aus eigenem Erleben, aus eigener Erfahrung,
vielleicht durch einen gluecklichen Zufall, die skeptische
Zurueckhaltung, ihre Macht, ihre Wirksamkeit, ihren Trost und
ihre Befreiung entdeckt haben.

     Diese Entdeckung der skeptischen Zurueckhaltung geschieht
aber immer nur im Zusammenhang (in conjunction, in the context,
Verbindung) mit tatsaechlichem (aktuellem) Wissen, Diese
Entdeckung geschieht weil der Denkende, Wissende, Lernende
unzufrieden ist mit dem was er zu wissen waehnt.  Ein jeder wird
die skeptische Zurueckhaltung gerade auf jenem Gebiete entdecken,
entwickeln und ausueben auf welchem Gebiete er erfahren,
kompetent, faehig ist.

     Hingegen ist die skeptische Zurueckhaltung auf unbekannten
(unfamiliar) Gebieten wesentlich schwieriger, manchmal bis zur
Unmoeglichkeit.  sometimes to the point of becoming altogether
impossible.  Und die Erklaerung fuer diese Schwierigkeit liegt
darin, dasz uns das Unbekannte mittels von Wissenschaft, von
Begriffen, von Worten beigebracht wird, dasz diese Worte, diese
Begriffe, diese Lehrsaetze den Rahmen (framework), die Form, die
Schale bilden, darin unser Wissen sich entwickelt und daran es
gebunden ist.  Erst (viel) spaeter wenn das begrifflich Gelernte
durch eige Erfahrung, durch eigene Erleben, gelaeutert,
bereinigt, wenn nicht gar ersetzt ist, dann entwickelt sich die
skeptische Zurueckhaltung aus dem Unterschied (discrepancy)
zwischen dem Erlebten und dem begrifflich Ueberlieferten.

     Ich bin mir nicht im klaren, in wiefern es stichhaltig oder
sinnvoll waere, zwischen dem Erleben als subjektivem, und der
ueberlieferten, gelernten und lehrbaren Wissenschaft, dem
sprachlich, begrifflich Festgesetztem als objektiven zu
unterscheiden.

                            * * * * *

Zurueck

Weiter

Inhaltsverzeichnis