19980130.00

     Es gilt zu erkennen, dasz das begriffliche (conceptual)
Weltbild worauf einerseits Moral und Ethik, andererseits aber
Wissenschaft und Geschichte beruhen, nicht die Wirklichkeit
selber, nicht der Bereich der "Dinge an Sich", sondern eine vom
Menschengeist erbaute Synthese, eine Zusammensetzung ist, welche
der (zugegeben transzendentalen) (admittedly transcendental)
Wirklichkeit nicht entsprechen kann und nicht entspricht.

     Die Ambiguitaet die daraus entwaechst dasz man einerseits
immer bestrebt ist zu erkennen, zu wissen, dasz man aber
andereseits zu diesem wissen unfaehig ist, is incapable of such
knowledge. It is the denial of our incapacity, of the
l.imiutations of our cognitive (and creative) powers which is
responsible, which explains the impetus to philosophize.

     Anzuerkennen, dasz es mir unmoeglich ist, diese Wirklichkeit
begrifflich zu erreichen, obgleich ich ihrer von Augenblick zu
Augenblick bewuszt bin.  ist sehr schwierig, ist tatsaechlich die
Schwierigste aller epistemologischen Aufgaben, von Sokrates
zusammengefaszt in der stolzen Behauptung: ich weisz, dasz ich
nichts weisz.  Wie die Verinnerlichung, das Subjektwerden, das
Sichselbstwerden im Ethischen, so ist im Bereich des Wissens die
Kernaufgabe sich die Vorstellung der Begrenztheit und der Grenzen
des Wissens und des Gewuszten dasz Wissen um die relative
Irrtuemlichkeit und Unzulaenglichkeit des Wissens immer wieder
und bestaendig vor Augen zu halten, anzuschauen wie auf das Bild
einer Goettin.

     [In welchem Masze, to what extent (degree), ist  die
Verinnerlichung ein Entsagen der Auszenwelt? Ressentiment?, und
in wiefern ist die Verinnerlichung eine realistisches Erkennen
des Seienden?  In dem Moment dieser Besinnung, In dem Moment da
ich mich auf mich besinne, In dem Moment da ich mich auf meine
Beziehung zur Welt besinne, schwindet (evaporates) der Zauber und
Trug, verfluechtig sich die Illusion der Wirklichkeit, der
allgemeinen, gegenstaendlichen objektiven Wirklichkeit, und
nichts verbleibt als und was verbleibt ist das schwankend
schwindende Bewusztsein des Ich und seiner unmittelbaren
Eindruecke.  und all der Eindruecke die es momentan beleben.

     [Ist das pathologisch? krankhaft?  Ist die Besinnung
Beschraenkung auf das ich ein Ausdruck der Staerke oder der
Schwaeche, oder ist es keines von beiden?]

     Oder besser ausgesprochen, dasz ich es bin der dies alles
versteht oder nicht versteht und dasz der Sinn und die Bedeutung
des Verstandenen letztlich mit mir selbst, mit diesem meinem
Bewusztsein, wie eine Sternschnuppe am dunklen Himmel meiner
Besonnenheit (Gedankenwelt) steigt und faellt.

     So ist es tatsaechlich. Und wie ist es dann moeglich, wie
kommt es denn, sollte man mich fragen, und frage ich mich, dasz
ich dennoch zu dem Gegenstaendlichen, zu jenem objektiven Zeit
und Raumbild, zur Geschichte und zur Wissenschaft, eine
Beziehung, ein Vetrhaeltnis unterhalten kann, (can entertain).
Mit anderen Worten, was bindet das Subjektive and das Objektive,
und umgekehrt, was verbindet sie?  Dasz die Begriffsstruktur in
welche des einzelnen Geist gebunden ist fuer ihn stets mehr oder
weniger ungueltig ist, so ist sie doch auch zugleich mehr oder
weniger gueltig. Woher stammt, wie entsteht, worin besteht diese
Gueltigkeit?

     Diese Gueltigkeit des Objektiven fuer das Subjektive besteht
erstens darin, dasz sie den einzelenen in ein geistiges Syncitium
einfuegt, dasz der Mensch durch Beteiligung am Objektiven ein
Teil - ein Bestandteil - eine geistigen Gemeinschaft wird. Dasz
dieses Einfuegung in die Gesellschaft nie vosstaendig, nie
vollkommen wird ist dann sein Unglueck oder sein Glueck.

     Zweitens, dasz das Wirken in der Gesellschaft, dasz die
Beteilgung an der Gesellschaft des Einzelnen Kraft und
Wirksamkeit in sehr groszem Masze erhoeht, dasz sie ihn befaehigt
sehr viel zu leisten, dessen er anderweitig unfaehig waere, dasz
sie in biologischer Perspektive sein Leben ueberhaupt erst
moeglich macht; dasz er ohne sie nicht zu esistieren vermoechte.

     Mit vorangehendem (With the preceding) ist noch immer nicht
erklaert, wie das allgemeine, das Gegenstaendliche in den
Menschen hineinkommt, wie er es ueberhaupt verstehen kann, wie er
zu ihm ueberhaupts in Beziehung tritt oder seine solche aufrecht
erhalten kann.  wenn das Objektive Aeuszerliche ihm so fremd ist.
Die Antwort auf diese Frage ist sehr gewichtig: Des Einzelnen
Beziehung zur objektiven Welt beruht auf einer Anpassung, auf
Homoiosis, die wirkliche Welt, - was immer sie ist, - die
Wirklichkeit - praegt sich dem Einzelnen auf und ein.

     Es ist erlaubt, weil - wie es denn - unvermeidlich ist in
der Beschreibung des Subjektiven ins Objektive hinueberzutreten
(to step over into the realm of objectivity) wie  der Mensch sich
ja dann auch als koerperliches Wesen, anatomisch und
physiologisch erkennt, um anzudeuten wie dfie Wirkjlichkeit auf
ihn einwirkt. Diese Andeutung, wie alles Begriffliche, alles
Sprachlich dargestellte, ist notwendigerweise objektiv.

     Des Menschen Beziehung zur Wirklichkeit ist ermoeglicht
durch seine Anpassung an sie, und diese Anpassung, diese
Homoiosis ist ein inapparent unconscious unscheinbarer
unbewuszter Vorgang der unablaessig vor sich geht.

     Es ist verwirrend, und musz doch gesagt sein, dasz auch der
Bereich der Sprache, der Bereich des Objektiven also, des
definiert Objektiven, obgleich er unwirklich ist, eine Anpassung
verursacht (hervorruft) - vergleichbar mit der Anpassung an das
Wirkliche. Man sollte fast sagen, dasz die Sprache, das
(wissenschaftliche) Begriffsgebilde das Konduit ist, oder
jedenfalls eins der Wesentlichen Konduits, mittels derer die
Wirklichkeit die Subjektivitaet des Menschen gestaltet.

     Wie ist es moeglich, dasz die objektive Wissenschaft,
zugegeben dasz sie nicht Wirklichkeit ist, dennoch wirklichkeits-
vermittelnd auf das Subjekt einwirkt? Das ist moeglich weil die
Wissenschaft, obgleich sie nicht wirklich ist, dennoch  mit der
Wirklichkeit in Verbindung steht. Wie die Subjektivitaet von der
Wirklichkeit beeinfluszt ist, so ist auch die Objektivitaet ein
Ausdruck,

     Was heiszt Wirklichkeit? Wenn das Wort irgendeine Bedeutung
haben soll, dann musz Wirklichkeit das sein was wirkt. (that
which works - ist die Etymologie richtig?) Diese Wirksamkeit des
Wirklichen bewaehrt sich in beschraenkter (nur oberflaechlicher
und beschraenkter Weise) in der Sprache und im Bereich der
Begriffe (des Wissenschaft also).  der Begriffswelt. Vor allem
(preeminently, vorzueglich) bewirkt die Wirklichkeit die
Anpassung des Menschen an das Seiende, an das Wirkende.  Wogleich
es vielleicht denn doch ein Irrutm war, den Menschen jemals
unabhaengig, separat von der Wirklichkeit betrachtet zu haben.

     Die Unbestimmtheit (ambiguity) der Wirklichkeit entsteht aus
dem (notwendigen, naturhaften, unvermeidlichen) Bestreben des
Menschen eine Begriffswelt als Abbild der Wirklichkeit zu
schaffen. Notwendig list dies Unterfangen als Mittel der
geistigen Vergesellschaftung.  Es ist durch und in der
Begriffswelt, unvollkommen zwar, aber dennoch ein Ausdruck der
Wirklichkeit.  dasz die Menschen sich geistig zusammen tun und
zusammen wirken.
 .PP Es ist durchaus glaubhaft, annehmbar, einleuchtend,
plausibel, dasz die Begriffswelt ueber eine Wirklichkeit zweiten
Ranges verfuegt, dasz sie ihre eigene besondere beschraenkte
Wirklichkeit besitzt, plausible auch, dasz der Mensch auf diese
Wirklichkeit zweiten Ranges reagiert, dasz er sich durch sie
lenken steuern beeinflussen laeszt. Und es ist verstaendlich,
aber nichtsdestoweniger fehlerhaft, dasz er sie mit der
unbeschraenkten (absoluten) Wirklichkeit verwechselt.  Dasz die
Begriffswelt ausgesprochen, explizit ist, darin liegt die
Bescraenkung ihrer Wirklichkeit. Denn das Ausgesprochene ist
unvernmeidlich beschraenkt gegen das Unausgesprochene durch die
intrinsische Begrenztheit des denkens, theretisierens und
Sprechens.

     Die Wirklichkeit der Begriffswelt ist beeintraechtigt durch
die Tatsache, dasz sie ueber sich hinausweist, dasz sie
beansprucht mehr zu sein als sie ist, dasz sie sich als das Ganze
darstellt, wo sie doch nur ein Teil ist. Diese Ueberheblichkeit
der Begriffswelt entspricht, und ist Ausdruck des
Selbstbewusztseins des Einzelnen, dasz er beansprucht selbst
goettlich zu sein, selbst Prometheusartig eine Welt geschaffen zu
haben, seine Welt. Paradoxer ubnd ironischer Weise leitet dann
diese Behauptung des Selbstseins welche die Begriffswelt als
notwendig und erschoepfend und ausschlieszlich darstellt, als
waere sie vom Menschengeiste selbst geschaffen, zu ihrem
Gegensatz, zur Einbindung naemlich des Menschen in die
Gesellschaft aus welcher die Begriffswelt hervorgegangen ist, und
welche der Begriffswelt zugrunde liegt.

     Hat er sie sich angeeeignet, so fuehlt und denkt der Mensch,
dasz die Begriffswelt die eigene und aussclieszlich die Eigene
sei.  Aber er taeuscht sich. Denn diese Begriffswelt ist gerade
das Band das ihn mit und in die Gesellschaft bindet. Umgekehrt,
loest er die Bande welche die Begriffswelt ihm auferlegt, erkennt
er sie in ihre Zweideutigkeit, so wird er frei, wird frei eine
neue, tiefere, wahrere Beziehung zur Wirklichkeit zu entwickeln,
welche er dann, um sie seinen Mitmenschen mitzuteilen, erneut in
Begriffe kleidet, und sie somit als Abwandlung seiner frueheren
Begriffswelt darbietet.  Das ist der Weg geistiger
Unabhaengigkeit, das ist die Methode geistigen Schaffens.
Ueberall in der Geistesgeschichte begegnen wir ihr wieder.  Das
ist die Quelle neuer Erfindungen welche dem Zweifel an der
Gedeuteten Welt entspringt.

     Es laeszt sich nun noch viel, sehr viel ueber die Methodik
der Begriffsbildung sagen. Unterscheiden wir vorerst zwischen der
Darstellung des Zeitlichen und der Darstellung des
Auszerzeitlichen, dessen also was einmalig in der Geschichte
geschieht oder geschehen ist, und das was bestehend und
unveraenderlich ist.

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