19980313.00
Jedenfalls eine Beschraenkung der kierkegaardschen Lehre vom
existiereneden Denker ist, dasz sie die subjektive Existenz gegen
das (reine) Denken welches die gesammte Welt in einem Schwung zu
begreifen beansprucht, abgrenzen will. Dabei wird aber
unvermeidlicherweise die betont (avowedly) irrationale subjektive
Existenz in den Bereich des Vernuenftigen, des Rationalen
gezogen; und damit wird gezeigt dasz die Wirklichkeit dem Begriff
unerreichbar ist und dasz es deshalb unmoeglich ist, darueber zu
sprechen.
Die Wirklichkeit ist nie durch das Denken bestimmt. Die
Begriffswelt aber ist Ausdruck des Denkens. Deshalb kann das
Denken niemals die Wirklichkeit erreichen; Deshalb musz alles
Denken, weit genug getrieben, in ein sich selbst bestaetigendes
Schema, in eine Logik muenden. Ob diese Logik mathematisch ists
wie die Tarski's, oder ob woertlich wie die des Aristoteles, oder
ob begrifflich, wie etwa die Hegelsche, das sind cura posteria.
das sind zweitrangige Fragen. Entscheidend ist, dasz das Denken
nicht vermag sich vom Banne des Symbols zu befreien. Auch
Kierkegaard vermag dies nicht. Und deshalb sind seine Argumente
gegen das (absolute) Denken widerspruechlich. Alles Denken ist
"absolut", ob man es so benennt oder nicht; auch das
kierkegaardsche.
Dem Denken die Unbedingtheit zu versagen, heiszt es
laecherlich zu machen. Es ist durchaus ueberzeugend dem
Existieren des Menschen, wie Kierkegaard es tut, unbedingte
Gueltigkeit zuzuschreiben. Aber ebenso notwendig ist es seinem
Denken, seinen Vorstellungen, seinen Begriffen die unbedingte
Bedeutung die sie beanspruchen nicht vorzuenthalten. Die
Unzulaenglichkeit des Denkens ist ein Widerspruch; ebenso
widerspruechlich aber ist die Unerkennbarkeit (inscrutability)
der Existenz (der Subjektivitaet). Und wenn es fehlerhaft ist,
dem absoluten Denken, dem Geist, dem Nous, Wirklichkeit
zuzuschreiben, so ist der Anspruch die Existenz begrifflich
darzustellen oder zu representieren ebenso verfehlt. In
Kierkegaards Kritik bewaehert sich die biblische Verheiszung, mit
demselben Masz mit dem man miszt, gemessen zu werden; die
Beobachtung, dasz man letzten Endes nur das kritisieren kann was
man selbst ist.
Das was es bedeutet zu existieren, kann man nicht
aussprechen; auch nicht was der Mensch wirklich ist, was seine
Seele oder sein Geist. Immer nur kann man darauf hin deuten; und
die Sprache darf als nichts angesehen werden, als ein Zeiger,
wie ein ausgestreckter Zeigefinger, der darauf hinweist.
Kierkegaards Kritik an Hegel, an dem Versuch die Existenz
des Menschen begrifflich zu erschoepfen, stoeszt auf die
Schwierigkeit, dasz diese Kritik selbst begrifflich sein musz.
Man kann dies folgendermaszen erklaeren: Wenn Existenz nicht
begrifflich ist, so vermag Existenz auch weder begrifflich
erklaert, nor widerlegt noch bewiesen zu werden. Demgemaesz ist
die Kierkegaardsche Verteidigung des Existenz ueberfluessig, wenn
nicht gar"counterproductive".
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