19990622.02
Dem Ausdruck "Wissen" erkenne ich zwei Bedeutugen an, das
Wissen wie, und das Wissen was. Das Wissen wie ist ein Koennen,
eine eingeuebte Faehigkeit, derer ich mir bewuszt bin, und
welcher ich mich von Zeit zu Zeit vergewissere indem ich sie
ausuebe. Demgemaesz ist das Wissen wie ein Bewusztsein meiner
eigenen Faehigkeit, einer Eigenschaft meines Wesens, ein
Bewusztsein das keiner begriffliche Bestaetigung bedarf, und
welches auch keine begriffliche Bestaetigung erlaubt. Das Wissen
wie, welches sich auf andere bezieht, ist ein Bewusztsein der
Faehigkeiten anderer, welches Bewusztsein ausschlieszlich in
einer begrifflichen Bestaetigung besteht.
Das Wissen was, wleches mit mehr sprachlicher Eleganz, auch
als das sachliche Wissen bezeichnet werden mag, ist, genau
betrachtet, auch ein Bewusztsein, - wie denn auch alle geistige
Taetigkeit, wie jede intellectuelle Handlung (des Menschen) an
sein Bewusztsein gebunden ist. Was ans Bewusztsein gebunden ist,
ist aber nicht das Wissen was als solches, sondern es sind die
Begriffe in welchen das Wissen was besteht, und diese sind
unverbruechlich an Symbole, vornehmlich an die Sprache gebunden,
und es ist die sprachliche, bezw. mathematische Symbolik, in
welcher diese Symbolik zum Bewusztsein kommt.
Diese Symbolik ist der Bereich alles sachlich Wissens. Es
liegt im Wesen dieses sachlichen Wissens als System zu
erscheinen, obwohl es bei genauerer Betrachtung ersichtlich ist,
dasz die Eigenschaften eines Systems stets nur angestrebt, aber
nie erreicht werden.
Diese Eigenschaften eines Systems, meiner Definition
entsprechend, sind erstens seine Vollstaendigkeit; den
inbegriffen in jeglichem sachlichen Wissen ist die Voraussetzung
dasz dies Wissen alles Wiszbare einschlieszt. Wo aber der
Tatsachenbestand zu kaerglich ist, als dasz sich die Fiktion
eines Wissens aufrecht halten liesze, da erfindet das sachliche
Wissen positive Kategorien des bisher noch Unbekannten, welche
wie Terra Incognita auf alten Erdkarten das Bestehen eines
moeglichen Wissens behaupten, und wie die Kundschafter (explorer)
vergangener Jahrhunderte, das Anrecht der Wissenschaft auf das
noch nicht (vollstaendig) Gewuszte behaupten. (who, like
explorers in centuries past, lay claim to as yet incompletely
defined territory.)
Die zweite wesentliche Eigenschaft des sachlichen Wissens
ist dessen vermeintliche innere Uebereinstimmung. Es ist
unvorstellbar, dasz sich zwei Wissenssachen widersprechen;
scheinen sie dies doch zu tun, so ergibt sich sofort eine
Erklarung, ein Ausgleich, eine Vereinbarung, eine
Uebereinstimmung welche den Widerspruch aufzuheben scheint.
Genauer jedoch, verhaelt es sich ganz anders. Die
Einstimmigkeit, die Uebereinsimmung, der verschiedenen
Wissensachen miteinander, ist Eigenschaft nicht des Wissens,
sondern der Symbolik in welcher dies Wissen sich ausdrueckt und
mitteilt. Es ist nicht das Wissen, sondern die Symbolik, bezw.
die Sprache, welche die scheinbare Uniformitaet, Einfoermigkeit
des Wissens verursacht.
Tatsaechlich ist genau das Entgegengesetzte der Fall. Wenn
man, um das Wissen wirksam zu machen, um es zu verstehen, um sich
seiner zu bedienen, das symbolisch dargestellte Wissen
implementiert (implements, ausfuehrt), wenn man es auf seine
Quellen im Erleben des Einzelnen, und auf sein Entstehen im
geistigen Zusammenwirken der menschen zurueckfuehrt, dann
zersetzt sich das symbolisch ausgedrueckte Wissen in unzaehlige
Einzelfakten welche zum Teil nichts mit einander zu tun haben,
zum Teil einander widersprechen, und nur zum Teil, und vielleicht
auch da nur scheinbar, einander bestaetigen.
Die Triftigkeit des sachlichen Wissen besteht nicht in einer
inneren Uebereinstimmung inerhalb eines Systems, besteht auch
nicht in einer aeuszeren Uebereinstimmung mit einstigem oder
kuenftigen Erleben. Die Triftigkeit des sachlichen Wissen
besteht in seiner instrumentalen Wirksamkeit: in seiner
Faehigkeit das erfolgreiche Zusammenarbeiten vieler, bezw aller
eingeweihten Menschen zu bewirken.
Das sachliche Wissen schafft (creates) eine kommunale
Intelligenz; es ermoeglicht vieler Geister an einem einigen
Problem, an einer gegebenen Aufgabe, wie ein einziger Geist zu
wirken. Diese kommunale Intelligenz ist im Besonderen
bemerkenswert in der modernen Technik, in der Mathematik, in
Entwurf und Herstellung ungezaehlter Maschinen; aber auch in der
Wirtschaft, im Handel und in der Verwaltung. Jeglicher Mangel an
Uebereinstimmung des sachlich Gewuszten mit sich selbst oder mit
der Erfahrung, mit dem Erleben beteiligter Mitglieder (der
Gesellschaft) tritt hinter der Wirksamkeit, der
Kooperationsermoeglichung des Wissens zurueck. Nicht darauf, ob
es in irgend einem tieferen Sinner wahr oder falsch ist kommt es
an, sondern inwiefern es die Zusammenarbeit ermoeglicht, und
inwiefern diese Zusammenarbeit fruchtbar, ergiebig ist.
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