20020124.00
Kierkegaard's Aesthetik beruht auf dem Grundsatz, dass das
Leben selbst aesthetisch genossen werden kann und muss; und diese
Voraussetzung liegt Entweder-Oder zu Grunde. Man vergleiche die
Schlegelschs-romantische Vorstellung von Lebenskunst. Dass
Entweder-Oder bezieht sich, aber vielleicht nur oberflaechlich
auf die Lebenshaltungen Lebensanschauungen von A und B. bezieht
sich auch auf die Alternativen des aesthetischen Lebensgenusses
der erotischen Verfuehrung und des ehelichen Lebens. wobei es
sich dann herausstellt, dass waehrend die Leidenschaft A's sich
angeblich auf die jungen erbluehenden Maedchen bezieht, die
wirkliche Leidenschaft B's sich nicht an seine Ehefrau wendet,
sondern in echt platonischem Sinne gegen den jungen Freund. In
Bezug auf B's Ehe aber, ist, nach einem Gestaendnis, nach eigener
Behauptung, seine Individualitaet dahin. Seine Religiositaet,
sagt er bedeutungsvoll, droht ohne die die Unterstuetzung seiner
Frau zu erschlaffen.
(In dem Vergleich von A und B darf nicht vergessen werden,
dass A aus dem Gesichtspunkt der Jugend, B aber aus dem
Gesichtspunkt des Alters schreibt. Vielleicht ist B auch einst
jung gewesen; vielleicht wir A sich B annaehern, wird werden wie
B indem er altert.)
Man muss sich vorstellen, wie die vielen Seiten von Entweder
Oder in einem Ausguss manischen Schaffens entstanden sind; und
demgemaess ist zu erwarten, dass wesentliche, vielleicht die
wesentlichsten Offenbarungen nicht Ansichten sondern Einsichten
entsprechen, dass sie unbewusst in Kierkegaards Worten, oder
neben seinen Worten oder hinter seinen Worten zum Ausdruck kamen.
Mit der Ehe, in der Ehe, geht der Einzelne aus seinem
Sichselbst heraus. Er wird mit seinem Weibe nicht nur "ein
Fleisch" sondern auch "ein Herz und eine Seele." Und dies ist der
schwierige Punkt, woran die Sache hapert: dass waehrend es
biologisch notwendig ist, mit ihr "ein Fleisch" zu werden, es
doch fuer einen Menschen wie Kierkegaard unsaglich schwierig und
schmerzhaft ist, vielleicht sogar unmoeglich, "ein Herz und eine
Seele" zu werden.
Doch ist der anthropologische Atomismus, die Voraussetzung
das der Einzelne die Basis, die bedeutende und erklaerende
Einheit des Lebens darstellt, verfehlt. Denn die Bedeutung der
geistig seelischen Verschmelzung welche die Ehe bedeutet oder
bedeuten sollte oder bedeuten kann, darf nicht unterschaetzt
werden; diese Verschmelzung ist tatsaechlich die Basis der
menschlichen Gesellschaft. Die Eheleute werden nicht nur "ein
Fleisch", sie befriedigen nicht nur miteinander den
geschlechtlichen Trieb, sie werden nicht nur "ein Herz und eine
Selle," und loesen somit ihre Individualitaeten in eine
Gemeinschaft auf, sie zeugen nicht nur Kinder (offspring),
sondern sie schaffen auch eine gemeinsame Sprache, eine
gemeinsame Erlebnis und Begriffswelt. Und ihre Wahrheit ist
nunmehr nicht was ihnen als Einzelnen gueltig erscheint; ihre
Wahrheit ist eine gemeinschaftliche, eine kommunale, und es ist
dies Gemeinschaftlichkeit der Wahrheit welche sie Objektiv macht.
Die Objektivitaet der Wahrheit welche in dem intimen Verkehr
zwischen zwei Menschen entsteht, entwickelt sich, verliert ihre
Bindung an die Intimitaet, an die Intimitaet der
Geschlechtlichkeit, erstreckt sich auf die Kinder, auf den
Freundes- und Bekanntenkreis, auf die Gesellschaft, und bestimmt
wiederum die Grenzen der Gesellschaft in welcher sie herrscht und
welche sie beherrscht. Tatsaechlich und praktisch liegt nun diese
objektiven Wahrheit (der Familiengesellschaft) in Konkurrenz mit
der individuellen Wahrheit welche die beiden Stifter der Familie
urspruenglich beseelte, und welche in jedem neuen Mitglied der
Familie, bezw. der Gesellschaft asserts itself, sich aus neue
behauptet.
Die Notwendigkeit, das Recht, the indispensability, der
Subjektivitaet hat ihren Ausdruck im religioesen Erleben; es ist
das religoese Erleben, welches die Integritaet des Einzelnen,
welches seine Innerlichkeit bewahrt, welches Behaeltnis und
Ausdruck seiner Individualitaet ist. Je groesser je
eindringlicher die Ansprueche der Familie der Gesellschaft, desto
schwieriger wird es den Anforderungen, den Beduerfnissen der
Individualitaet der Subjektivitaet nachzukommen.
Diese Einsicht auf den gesellschaftlichen Ursprung der
Objektivitaet wirft ein helles Licht auf deren (der
Objektivitaet) erkenntnistheoretische Bedeutung. Man hat, seit
den Zeiten Platos und Aristoteles, die Gueltigkeit des Wissens,
also in moderner Sprache, des Wissens Objektivitaet auf eine
Korrespondenz, als eine Erkenntnis von etwas "Wirklichem"
gedeutet; doch sind die Parameter, die Kennzeichen dieser
Wirklichkeit unerkennbar geblieben. Doch ist es nie gelungen zu
bestimmen worin diese Wirklichkeit denn bestehen moechte.
Die Einsicht, dass sich die Objektivitaet aus der
Gesellschaft ergibt, dass die Sprache, die Begriffe, das Denken
nicht individuell, sondern gemeinsam, gemeinschaftlich sind,
ergibt sich nun unmittelbar die Einsicht dass die objektive
Gueltigkeit vorerst auf dem Einverstaendnis zweier oder meherer
Menschen besteht. Dieses Einverstaendnis scheint die Gueltigkeit
des Einverstandenen zu verbuergen; tut dies dann auch, aber nur
in begrenztem Masse. Das weitere (further) Erleben, die weitere
Erfahrung der Gesellschaft und des Einzelnen, bestaetigen oder
widerlegen dann die Gueltigkeit des vermeintlich Erkannten. serve
to validate or invalidate the presumed knowledge. This process of
the testing of concepts, of ideas, of conclusions is a continuing
one; it is also very complex, proceding on different dimensions
and on different levels. Die Gesellschaftlichkeit der
Objektivitaet ist einer der Schluessel mittels welcher wir dem
Wesen des allgemeinen objektiven wissenschaftlichen Wissens
naeher zu kommen vermoegen.
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