20040405.00
Indem ich die Aufzeichnungen welche in den juengst
vergangenen Tagen machte ueberlese, und indem ich die
Aufzeichnungen der vergangenen acht Jahre ueberdenke, draengen
sich mir die Fragen auf, was es denn bedeuten moechte, dass ich
keine zusammenhaengend gegliederte These aufgestellt, behauptet
und verfochten habe, sondern immer nur das geschrieben, was mir
von Augenblick zu Augenblick, oder sollte ich sagen, von
Gegenwart zu Gegenwart einfiel, - als bedeutsam einleuchtete.
Ich bin mir im Unklaren ob ich nun nachtraeglich versuchen sollte
die Fragmente in ein zusammenhaengendes, gegliedertes Ganze zu
fuegen, und ihnen dadurch den Anschein einer widerspruchsfreien,
durchkomponierten Lehre zu geben, oder ob ich mich damit
begnuegen sollte, sie unbeschaemt und vielleicht auch
unverschaemt, in der Einzigartigkeit ihrer Entstehung zu
veroeffentlichen, in sofern von Veroeffentlichung im Internet
ueberhaupt diesen Namen verdient.
Diese Entscheidung zwischen fragmentarischer Ausstreuung und
gewollter, planmaessiger Synthese ist mehr als lediglich
aesthetisch poetische Frage. Denn die geschlossene Ganzheit
bekommt (hat) einen vom spontan Eroerterten gaenzlich
verschiedenen Sinn. Die Geschlossene Ganzheit deutet auf ein
System und die Bedeutung des Systems - als Darstellung eines
objektiven Gebildes - geht weit hinaus ueber die Bedeutung des
einzelnen Einfalls als Ausdruck subjektiven Erlebens.
Es handelt sich dabei um zwei verschiedene geistige
Gegebenheiten. Das umfassende (comprehensive) System ist ein
geistiger Gegenstand der ausserhalb des Erlebens des Einzelnen
besteht; ein Gegenstand welcher vom Einzelnen fordert dass er es
studieren, dass er sich ihm hingeben, vielleicht sogar, dass er
sich ihm unterwerfen sollte. Ein System beansprucht ausserhalb
und oberhalb der Gegenwart zu existieren. Der Gedanke hingegen
geschieht dem Einzelnen in seiner Gegenwart (in his present), und
ist als Gedanke dem Lesenden ueberhaupt nicht zugaenglich, ist
wirksam jedoch dadurch, dass er den Leser zu vergleichbaren
Einfaellen stimmt und reizt.
Tatsaechlich ist dieses Umstimmen und Anreizen des Lesers
genau der Vorgang mittels welchem der Leser des Systems von
diesem lernt. Das System selbst bleibt unerreichbar, manchmal
sogar unnahbar; und es wirkt nicht dadurch dass es woertlich
verstanden, dass es woertlich akzeptiert, dass es woertlich
angenommen wird, sondern dadurch dass es den Leser zu Fragen und
Auseinandersetzungen reizt, zu Fragen uns Auseinandersetzungen
welche moeglicherweise von dem gegebenen System das sie ausloeste
sehr weit hinweg fuehren.
Was nun den inhaltlichen Wert eines gefuegten Systems,
unabhaengig von dem inhaltlichen Wert des Einfalls anlangt ...
Das System als solches muesste auch ein Einfall sein, ein Einfall
jedoch welcher sich nicht an einfachem Erleben bildet, sondern
welcher sich an dem Erleben bildet, das andere Einfaelle
hervorrufen.
Nicht alle Einfaelle verfuegen ueber vergleichbaren Wert.
Am staerksten wuerden Einfaelle wirken welche sich unmittelbar am
Leben bilden. Einfaelle zweiten, dritten oder vierten Ranges,
Einfaelle also systematischer Art, welche sich an anderen
Einfaellen bilden, muessen als schwaecher und fragwuerdiger
anerkannt werden.
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