20021121.00
Gesetze und menschliche Handlungen als deren Befolgung,
bezw. Uebertretung, gehoeren in den Bereich unserer
Vorstellungen; indessen die Wirklichkeit der Handlungen und deren
Bewegungsgruende uns so unverstaendlich, so unbegreifbar sind,
wie das Tun der Tiere, wie der Flug der Voegel, oder das
Schwimmen der Fische, um nur zwei Beispiele anzufuehren.
Indessen unser Anspruch dieses Tun, sei es der Tiere, sei es der
Menschen, doch irgendwie zu verstehen, irgendwie zu erklaeren zu
vermoegen, nichts so sehr wie die Schalheit und Eitelkeit des
Geistes bezeichnet.
Und wie beharrlich auch immer auf die Unentbehrlichlkeit der
Vernunft gepocht wird, kein Geringerer als Goethe hat mit der
Drohung: Verachte nur Vernunft und Wissenschaft aufgewartet. Doch
laufen die Ansprueche der Vernunft unvermeidlich auf Betrug aus,
seiner selbst wohl eher als anderer. Es ware jedenfalls
plausibel vorzuschlagen, dass die Vernunft, welche mittels der
Sprache aus dem Zusammensein der Menschen entspringt, fuer das
Gedeihen dieses Zusammenseins unentbehrlich ist; obwohl sie vor
der Unerbittlichkeit des individuellen Erlebens versagt. So dass
Vernunft die Vorbedingung des Gesellschaftslebens ist; dass sie
aber, wie das Gesellschaftsleben selbst, der Unmittelbarkeit des
Selbstseins nicht standzuhalten vermag.
Das Selbstsein und das Zusammensein stehen zu einander in
offensichtlich dialektischem Verhaeltnis. Einserseits wird das
Selbstsein aus dem Zusammensein geboren und wird durch dieses
erhalten. Andererseits aber ist es fuer das Zusammensein
notwendig, immer wieder aufs neue, Bestaetigung und Erneuerung
aus dem Selbstsein zu schoepfen; als laegen im Selbstsein die
Wurzeln aus welchen sich der Baum der Gesellschaft erhebt.
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