20030324.00
Lieber Helmut,
Dank fuer Deinen Gruss und fuer die Uebermittelung der Aus-
fuehrungen von Guenter Grass. Meine Einstellung zur Innen
und Aussenpolitik Amerikas ist Dir bekannt.
Rilke beschreibt in einem Briefe, an wen und wann, weiss ich
nicht mehr, ein tiefes Beduerfnis seine Kindkeit nachzu-
holen, einen Wunsch den auch ich auf eigene Weise meine emp-
funden zu haben, ein Wunsch welcher mir nun in duesterer und
trauriger Weise gewaehrt zu werden scheint.
Denn der damalige Fuehrer schickte sich auch an, den Erd-
kreis zu beherrschen. "Heute gehoert uns Deutschland, morgen
die ganze Welt," sang damals durch die Strassen ziehend die
Hitlerjugend, und dann dauerte es kaum zwoelf Jahre bis
Deutschland in Truemmern lag.
Erst jetzt, soviele Jahre danach, lerne ich zu begreifen wie
der Nationalsozialismus zustande kam. Das Verstehen mag dann
dazu dienen, die Empoerung und die Verzweiflung zu verdraen-
gen. Dabei frage ich mich, ob es erlaubt ist, wie die Stoik-
er, Ekel und Entsetzen und Wut mittels von Beschaulichkeit
zu ueberwinden, oder ob der Anspruch, der oeffentlichen
Verderbnis durch den Geist zu entkommen, nichts weiter sein
sollte als Selbstbetrug, und somit ein ganz persoenlicher
Beitrag zu der grassierenden Verlogenheit. Ich weiss es
nicht.
* * * * *
Zurueck : Back
Weiter : Next
Index 2003
Website Index
Copyright 2005, Ernst Jochen Meyer