20030711.00
Das Wissen wonach man strebt, das zu erwerben man sein
Leben aufopfert, ist, wenn nicht Taeuschung, so dennoch
Missverstaendnis. Zum ersten, weil es unmoeglich ist,
sogenanntes Wissen zu besitzen; das Gedaechtnis ist nicht
dazu geeignet, ein Archiv von Tatsachen zu werden. Dazu
moegen Bibliotheken oder Computerspeicher dienen. Auch ist
die Einuebung des Wissbaren, das Repetieren von
Wissenssaetzen, belanglos. Wissen taugt nur insofern es zu
denken oder zu handeln befaehigt. Das einzig gueltige
Wissen ist ein geistiges Koennen. Die Wahrheit des Wissens
liegt nicht in der Uebereinstimmung (Kongruenz) der
Begriffe, sondern in deren Uebereinstimmung mit der
Wirklichkeit, und diese Uebereinstimmung ist nicht aus der
Gestalt oder Struktur des Wissens, sie ist lediglich aus der
Wirksamkeit des Wissens zu schliessen, aus der
offensichtlichen Tatsache, dass das Wissen das Leben
foerdert, steigert, erhaelt, und unter Umstaenden sogar
ueberhaupt erst ermoeglicht. Es ist demuetigend einzusehen,
dass das Wissen, nicht weniger als die Sprache, Erscheinung
der Gesellschaft ist, und dass der Mensch, wie unabhaengig
er sich auch immer waehnen mag, in seinem bedeutendsten
Erleben doch ein Ergebnis ein Erzeugnis, ein Produkt der
Gesellschaft ist. Die Wissenschaft sogenannt, ist dann die
Vergesellschaftung, die gesellschaftliche Darstellung des
Wissens.
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