20060112.00 Jenseits von Gut und Boese Ich bediene mich dieser beruehmten Ueberschrift Nietzsches, ohne damit zu bedeuten, dass ich ihren Behauptungen beipflichte oder auch nur, dass ich sie kuerzlich gelesen haette. Der Titel mag als Weiser dienen welcher den Weg zu einer lebenswichtigen Problematik weist deren Entwirrung und Entwicklung zu wesentlichem Vorteil gereicht. [In dem ich so schreibe beeindruckt mich das Ausmass nach welchem der pure Sinn der Worte, und die gewohnte Struktur (Gestalt) der Sprache den Sinn des Satzes und letztlich sogar den Sinn des Gedanken praegt.] Es ist verfuehrerisch, und insofern bezeichnend fuer die Problematik dieser Fragen, dass sie vorerst auf Gebiete jenseits der eigenen Persoenlichkeit, ausserhalb meiner Selbst zu deuten scheinen. Was gut oder schlecht sein moechte suche ich nicht in oder an mir selbst. Was gut oder schlecht sein moechte suche ich auch vorerst nicht in der Welt, sondern jenseits ihrer, in meinen Vorstellungen vom Himmel, von Gott, als dem unbedingt Guten, und in den Vorstellungen von der Hoelle, vom Teufel, als dem unbedingt Schlechten. Es wird aber bald erkennbar, dass die diesbezueglichen Vorstellungen von Gut und Boese sich erklaeren und entwirren lassen, nur in Bezug auf die Erlebnisse des einzelnen Menschen aus welchen sie entspringen und durch welche sie gestaltet und gepraegt werden. Insofern diese Erlebnisse der verschiedenen Einzelnen andersartig sind, werden auch die Vorstellungen unterschiedlich sein. Der Kern aus welchem sie allein erklaerlich werden, ist das Wohl und Weh, die Freude und das Leid, das Leben und der Tod, nicht in allgemeinem, universellem Rahmen; sondern Wohl und Weh, Freude und Leid, Leben und Tod des Einzelnen der sie ersehnt oder befuerchtet, der sie geniesst oder erleidet. In diesem Sinne gibt es ein Jenseits von Gut und Boese ebenso wenig wie es eine vorstellungsfreie, eine von Vorstellung bereinigte Wirklichkeit gibt. Wie ich die Vorstellungshaftigkeit meines Erlebens mit dem dialektischen Zweck betone, die transzendentale Wirklichkeit zu behaupten, obwohl sie unerreichbar ist, so betone ich die willkuerliche Unvollkommenheit aller Begriffe von Gut und Boese, um ihre Notwendigkeit fuer die eigene Existenz zu gewaehrleisten. Es ist unverkennbar, dass das eigene Leben, geistig und koerperlich, Vorbedingung ist fuer alle Begriffe, fuer alle Vorstellungen, fuer alle Imperative von Gut und Boese. Der scheinbare Widerspruch in der Forderung an den Einzelnen das Gute in der Wohlfahrt des Anderen, des Naechsten zu suchen, ist bald erklaerlich durch die unvermeidliche Abhaengigkeit des Einzelnen vom Naechsten, ist erklaerlich durch die unverkennbare Gesellschaftlichkeit des Menschen, dem es unmoeglich ist in Getrenntheit von anderen zu existieren. Der Imperativ der Naechstenliebe erstreckt sich von dem geliebten Freund auf die Familie, auf die Gemeinde, auf die Gesellschaft, auf die Umwelt auf welche der Einzelne fuer sein Ueberleben angewiesen ist. * * * * *

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