Liebe Cristina, Dies ist nun der siebte der Briefe an Dich welche ich sozusagen in die Leere des Internets sende, wo ich sie Dir eines Tages verfügbar mache, oder auch nicht. Denn dies Schreiben an eine Person die vielleicht zu beschäftigt ist um den Brief zu lesen, geschweige denn ihn zu beantworten, hat seine naturgegebenen Grenzen. Schließlich ist es dann weniger enttäuschend, weniger demütigend einen Brief in die Leere der Anonymität zu schicken, als an eine Internet Adresse die möglicherweise für meine Gedanken und Gefühle unempfänglich ist. Die Quelle, die Gedanken aber versiegen nicht und fließen unaufhaltsam ins Meer der Vergangen und Vergessenheit. Umso dringender ist das Bedürfnis mich auszusprechen, oder vielleicht genauer gesagt mich "auszuschreiben", die verschiedenen Gedanken die mich bewegen und beleben aufzuschreiben, um sie dann nach Tagen oder Wochen erneut zu bedenken. Ich betrachte die Erkenntnistheorie als die Grundlage von allem Denken; denn die Fragen der Ethik, der Soziologie, der Politik, und letztendlich die Probleme mit denen die Geistes- und Naturwissenschaften ringen werden zugänglich nur insofern ich sie verstehe. Die Grundsätze meines Verstehens aber liegen tiefer als die Wissenschaften. Erlaube mir sie Dir zu erklären. Der Herd meiner geistigen Tätigkeit, der Brennpunkt meines Denkens ist mein Bewusstsein, das Erleben welches sich jetzt und hier abspielt. Es ist das einzig mir zugängliche Erleben welches alle anderweitige Erfahrung bestimmt. Umso bedeutender ist es dass die Eindeutigkeit des Ausdrucks die Unbestimmtheit von jetzt und hier, von Zeit und Ort verhüllt. Tatsächlich sind Ausmaß und Dimension von Jetzt unbestimmt und vielleicht unbestimmbar. Was übermäßig schnell geschieht ist nicht wahrnehmbar. Was ausgedehnt genug um wahrnehmbar zu sein ist nicht mehr gegenwärtig, ist nicht mehr jetzt. In dem es wahrnehmbar wird ist es vergangen. Ist es noch nicht vergangen, ist es auch nicht wahrnehmbar. Ein Widerspruch; ein Paradox: die Wahrnehmung verlangt Zeit. Deshalb ist das jetzt nicht wahrnehmbar. Was wahrgenommen wird aber ist nicht mehr jetzt.