From: Cristina Basili To: Ernst Meyer Subject: 3. Jaenner 2018 Date: 1/3/20187 07:11 p.m. Lieber Jochen, Ich wünsche dir ein geistig sehr produktives,erfülltes und friedliches neues Jahr 2018! Deine Gedanken zum Thema Liebe und Gesellschaft sind - wie all dein Schreiben - äußerst bedacht. Es scheint als hättest du in deinem Leben all die Zeit genutzt um nachzudenken. Etwas, was die meisten Menschen nicht tun. Die meisten Menschen handeln, arbeiten, tun Sachen um sich vom Nachdenken zu schonen. Denn Denken könnte zu Problemen führen. Es führt auch zu den Lösungen, aber wie du wahrscheinlich weißt erst viel später. Ich mache mir noch immer über die Gesellschaft in der wir leben Gedanken. Es ist so interessant wie sich die Menschen zueinander verhalten, wen sie in ihre Gesellschaft aufnehmen und wen nicht. Die Ursache zu jeglicher Feindseligkeit ist denke ich das Ego. Denn wir sind alle Menschen. Du bist ein Mensch genauso wie ich. Die Kirche sagt wir sind alle Brüder. Und wir dienen alle etwas Höherem. Wenn das wahr ist, wieso existiert dann Feindseligkeit zwischen Menschen? Wieso muss man in die Gesellschaft hineinpassen, um von ihr akzeptiert zu werden? Wieso schätzt die Gesellschaft nicht einen ohnehin? Denn jeder ist doch ein Individuum und hat ein eigenes Gehirn, Herz und Gedanken, die für die Gesellschaft sehr nützlich sein können. Es ist mir ein Rätsel, wen die Gesellschaft willkommen heißt und wen nicht. Du sagst, dass du die Entscheidung getroffen hast, nicht Teil von ihr zu sein. Aber ich bin der Meinung, dass dies nicht ganz wahr ist. Denn die Gesellschaft sollte es interessieren warum du nicht Teil von ihr sein willst. So wie es mich interessiert. Dies kann sehr sehr nützlich sein für die Menschen, wenn wir jemanden, der nicht Teil von uns sein will, fragen, wieso nicht? Was machen wir in deinen Augen falsch? Gibt es deiner Meinung etwas, das wir besser machen können sodass alle Teil der Gesellschaft sein können? Aber das fragt die Gesellschaft nicht. Also bleibt sie mehr oder weniger immer gleich, modernisiert sich nur ab und zu, je nach dem wer gerade als Oberhaupt regiert. Ich weiß oder besser gesagt ich fühle, dass wir Herdentiere sind und die Gesellschaft mehr oder weniger brauchen. Aber die Gesellschaft braucht uns viel mehr. Nur realisiert sie es oft nicht. Stattdessen macht sie unser leben schwieriger. Und dann macht es Sinn, dass wir uns lieber zurückziehen und sagen, es war meine Entscheidung nicht Teil von ihr sein zu wollen. Wir sollten eine neue Gesellschaft gründen denke ich. Eine Gesellschaft voller seltsamer Individuen, die nirgends hineinpassen und mit ihrem eigenen Denken genug Fortschritte machen. Eine Gesellschaft, die nicht grundlos ausschließt. Ich kann mich erinnern an ein Ereignis während meinem Abitur. Ich hatte die Solo Cello Suiten Johann Sebastian Bachs als mein Spezialgebiet in Musik gewählt und unser Musiklehrer meinte es wäre toll wenn ich einen Satz davon bei meiner mündlichen Prüfung, nachdem ich seine Fragen beantwortet hatte, spielen könnte. Als eine Mitschülerin (ich war die einzige Musikerin in der Klasse) davon erfuhr, beklagte sie sich, wie unfair dass sei. Ich konnte nie verstehen, wie man die Tatsache, dass ich Cellistin bin, als unfair bezeichnen kann. Ich bin Cellistin seitdem ich 7 Jahre alt bin, und da ich kein child prodigy oder sonst was außerordentlich besonderes war, ging ich natürlich so wie alle anderen auch Menschen in die Schule. Ich hatte das Glück, dass meine Schule, mein Klassenvorstand und meine Direktor es sehr schätzten, dass ich Musikerin bin und mir somit Freiheit ließen, diesen Beruf auszuüben während meiner Schulzeit. Aber dass sich eine Mitschülerin beklagt, das wäre unfair, verstand ich gar nicht. Diese Feindseligkeit, die sie mir gegenüber ausdrückte war, kam aus ihrem eifersüchtigen Ego. Es war die Eifersucht, dass ich mich in etwas, das ich liebe ausdrücken konnte beim Abitur und sie nicht. Es ist schade, dass wir alle so ähnlich erzogen werden und wenn jemand anders erzogen wurde oder andere Gedanken hat über die Welt oder ganz einfach intelligenter ist als die anderen, wir ihn abstoßen. Es ist nicht nur schade, es ist eine Schande! Abgesehen von dem Willen, geliebt werden zu wollen, gibt es auch den Drang lieben zu wollen. Und dabei interessiert mich der Unterschied zwischen Männern und Frauen sehr. Denn ich denke männliche Liebe ist fast immer sexuell bedingt. Aber weibliche fast immer mütterlich. Ich weiß nicht ob meine Formulierung jeglichen Sinn ergibt. Ich habe es einfach zu oft selbst erfahren. Weil ich manchmal hübsch aussehe, nett und kommunikativ bin und erfreuliche Gesellschaft leiste, denken viele Männer ich hätte romantisches Interesse an ihnen. Ich verstehe diesen Gedankenvorgang nicht ganz. Eine Anekdote zum Abschluss: In den Tagen vor Neujahr war ein kollegialer Freund von mir krank. Also brachte ich ihm Suppe nach Hause und blieb eine Zeit lang bei ihm, weil es ihm so schlecht ging. Ich streichelte ihm über den Rücken und die Stirn, denn es ging ihm wirklich schlecht und er brauchte meinem Instinkt nach etwas Zuneigung und Liebe. Sobald er gesund war lud er mich zum Essen ein und dachte wir würden doch gut zusammen passen. Haha! Was für ein Witz- dachte ich. Herzlichst, Cristina Cristina Basili +1 323 8305159 +43 664 73410980 Von: Ernst Meyer Gesendet: Samstag, 30. Dezember 2017 23:05:24 An: Cristina Basili Betreff: Nachtrag am 30. Dezember 2017 Liebe Cristina, Das Konzert das heute nachmittag im Beech Street Center stattfand erinnerte mich an Deinen Auftritt dort mit Dvoraks Cello Konzert vor fast genau einem Jahr, und meine Gedanken wurden ein Nachtrag zu meinem Brief an Dich. 1. Die Liebe des alten Menschen ist das Segnen. Der alte Mensch der den jungen Menschen segnet bestätigt mit diesem Segnen das eigene Leben, und er verjüngt sich indem er dem jungen Menschen den Reichtum der eigenen Seele schenkt. Der Segen hat seinen Wert und Sinn in der Bestätigung der (seelischen) Wirklichkeit und Kraft dessen der den Segen spendet. 2. Die Gesellschaft, i.e. die Herde, zwingt den Einzelnen sich ihr anzupassen, sich ihr anzugleichen, ein Glied zu werden ununterscheidbar von ihren anderen Mitgliedern. Der Einzelne dem es unmöglich ist sich der Gesellschaft anzupassen wird von ihr zerstört. In dieser Gegebenheit besteht die tiefe soziologische Wahrheit des Christentums woraus es immer erneut seine säkulare Macht, seinen geschichtlichen "Einfluss" schöpft. 3. Dass ich in gewissem Maße von meiner Familie ausgeschlossen werde, beruht auf der Tatsache, dass ich unfähig bin mich mir ihr anzupassen, ein Umstand den ich keineswegs beklage. Die Einsamkeit die er mir gewährt, bietet mir eine außerordentliche Gelegenheit zu geistiger Produktivität wofür ich dankbar bin. 4. Die Existenz meines hohen Alters erschöpft sich in segnender Liebe, in Dankbarkeit und in Sehnsucht. 5. Bitte vergiss nicht dass meine Herzensergießungen keine Antwort, keine Bestätigung, keine Erwiderung erheischen. Dein Jochen Lieber Jochen, Ich wünsche dir ein geistig sehr produktives,erfülltes und friedliches neues Jahr 2018! Deine Gedanken zum Thema Liebe und Gesellschaft sind - wie all dein Schreiben - äußerst bedacht. Es scheint als hättest du in deinem Leben all die Zeit genutzt um nachzudenken. Etwas, was die meisten Menschen nicht tun. Die meisten Menschen handeln, arbeiten, tun Sachen um sich vom Nachdenken zu schonen. Denn Denken könnte zu Problemen führen. Es führt auch zu den Lösungen, aber wie du wahrscheinlich weißt erst viel später. Ich mache mir noch immer über die Gesellschaft in der wir leben Gedanken. Es ist so interessant wie sich die Menschen zueinander verhalten, wen sie in ihre Gesellschaft aufnehmen und wen nicht. Die Ursache zu jeglicher Feindseligkeit ist denke ich das Ego. Denn wir sind alle Menschen. Du bist ein Mensch genauso wie ich. Die Kirche sagt wir sind alle Brüder. Und wir dienen alle etwas Höherem. Wenn das wahr ist, wieso existiert dann Feindseligkeit zwischen Menschen? Wieso muss man in die Gesellschaft hineinpassen, um von ihr akzeptiert zu werden? Wieso schätzt die Gesellschaft nicht einen ohnehin? Denn jeder ist doch ein Individuum und hat ein eigenes Gehirn, Herz und Gedanken, die für die Gesellschaft sehr nützlich sein können. Es ist mir ein Rätsel, wen die Gesellschaft willkommen heißt und wen nicht. Du sagst, dass du die Entscheidung getroffen hast, nicht Teil von ihr zu sein. Aber ich bin der Meinung, dass dies nicht ganz wahr ist. Denn die Gesellschaft sollte es interessieren warum du nicht Teil von ihr sein willst. So wie es mich interessiert. Dies kann sehr sehr nützlich sein für die Menschen, wenn wir jemanden, der nicht Teil von uns sein will, fragen, wieso nicht? Was machen wir in deinen Augen falsch? Gibt es deiner Meinung etwas, das wir besser machen können sodass alle Teil der Gesellschaft sein können? Aber das fragt die Gesellschaft nicht. Also bleibt sie mehr oder weniger immer gleich, modernisiert sich nur ab und zu, je nach dem wer gerade als Oberhaupt regiert. Ich weiß oder besser gesagt ich fühle, dass wir Herdentiere sind und die Gesellschaft mehr oder weniger brauchen. Aber die Gesellschaft braucht uns viel mehr. Nur realisiert sie es oft nicht. Stattdessen macht sie unser leben schwieriger. Und dann macht es Sinn, dass wir uns lieber zurückziehen und sagen, es war meine Entscheidung nicht Teil von ihr sein zu wollen. Wir sollten eine neue Gesellschaft gründen denke ich. Eine Gesellschaft voller seltsamer Individuen, die nirgends hineinpassen und mit ihrem eigenen Denken genug Fortschritte machen. Eine Gesellschaft, die nicht grundlos ausschließt. Ich kann mich erinnern an ein Ereignis während meinem Abitur. Ich hatte die Solo Cello Suiten Johann Sebastian Bachs als mein Spezialgebiet in Musik gewählt und unser Musiklehrer meinte es wäre toll wenn ich einen Satz davon bei meiner mündlichen Prüfung, nachdem ich seine Fragen beantwortet hatte, spielen könnte. Als eine Mitschülerin (ich war die einzige Musikerin in der Klasse) davon erfuhr, beklagte sie sich, wie unfair dass sei. Ich konnte nie verstehen, wie man die Tatsache, dass ich Cellistin bin, als unfair bezeichnen kann. Ich bin Cellistin seitdem ich 7 Jahre alt bin, und da ich kein child prodigy oder sonst was außerordentlich besonderes war, ging ich natürlich so wie alle anderen auch Menschen in die Schule. Ich hatte das Glück, dass meine Schule, mein Klassenvorstand und meine Direktor es sehr schätzten, dass ich Musikerin bin und mir somit Freiheit ließen, diesen Beruf auszuüben während meiner Schulzeit. Aber dass sich eine Mitschülerin beklagt, das wäre unfair, verstand ich gar nicht. Diese Feindseligkeit, die sie mir gegenüber ausdrückte war, kam aus ihrem eifersüchtigen Ego. Es war die Eifersucht, dass ich mich in etwas, das ich liebe ausdrücken konnte beim Abitur und sie nicht. Es ist schade, dass wir alle so ähnlich erzogen werden und wenn jemand anders erzogen wurde oder andere Gedanken hat über die Welt oder ganz einfach intelligenter ist als die anderen, wir ihn abstoßen. Es ist nicht nur schade, es ist eine Schande! Abgesehen von dem Willen, geliebt werden zu wollen, gibt es auch den Drang lieben zu wollen. Und dabei interessiert mich der Unterschied zwischen Männern und Frauen sehr. Denn ich denke männliche Liebe ist fast immer sexuell bedingt. Aber weibliche fast immer mütterlich. Ich weiß nicht ob meine Formulierung jeglichen Sinn ergibt. Ich habe es einfach zu oft selbst erfahren. Weil ich manchmal hübsch aussehe, nett und kommunikativ bin und erfreuliche Gesellschaft leiste, denken viele Männer ich hätte romantisches Interesse an ihnen. Ich verstehe diesen Gedankenvorgang nicht ganz. Eine Anekdote zum Abschluss: In den Tagen vor Neujahr war ein kollegialer Freund von mir krank. Also brachte ich ihm Suppe nach Hause und blieb eine Zeit lang bei ihm, weil es ihm so schlecht ging. Ich streichelte ihm über den Rücken und die Stirn, denn es ging ihm wirklich schlecht und er brauchte meinem Instinkt nach etwas Zuneigung und Liebe. Sobald er gesund war lud er mich zum Essen ein und dachte wir würden doch gut zusammen passen. Haha! Was für ein Witz- dachte ich. Herzlichst, Cristina Cristina Basili +1 323 8305159 +43 664 73410980 Von: Ernst Meyer Gesendet: Samstag, 30. Dezember 2017 23:05:24 An: Cristina Basili Betreff: Nachtrag am 30. Dezember 2017 Liebe Cristina, Das Konzert das heute nachmittag im Beech Street Center stattfand erinnerte mich an Deinen Auftritt dort mit Dvoraks Cello Konzert vor fast genau einem Jahr, und meine Gedanken wurden ein Nachtrag zu meinem Brief an Dich. 1. Die Liebe des alten Menschen ist das Segnen. Der alte Mensch der den jungen Menschen segnet bestätigt mit diesem Segnen das eigene Leben, und er verjüngt sich indem er dem jungen Menschen den Reichtum der eigenen Seele schenkt. Der Segen hat seinen Wert und Sinn in der Bestätigung der (seelischen) Wirklichkeit und Kraft dessen der den Segen spendet. 2. Die Gesellschaft, i.e. die Herde, zwingt den Einzelnen sich ihr anzupassen, sich ihr anzugleichen, ein Glied zu werden ununterscheidbar von ihren anderen Mitgliedern. Der Einzelne dem es unmöglich ist sich der Gesellschaft anzupassen wird von ihr zerstört. In dieser Gegebenheit besteht die tiefe soziologische Wahrheit des Christentums woraus es immer erneut seine säkulare Macht, seinen geschichtlichen "Einfluss" schöpft. 3. Dass ich in gewissem Maße von meiner Familie ausgeschlossen werde, beruht auf der Tatsache, dass ich unfähig bin mich mir ihr anzupassen, ein Umstand den ich keineswegs beklage. Die Einsamkeit die er mir gewährt, bietet mir eine außerordentliche Gelegenheit zu geistiger Produktivität wofür ich dankbar bin. 4. Die Existenz meines hohen Alters erschöpft sich in segnender Liebe, in Dankbarkeit und in Sehnsucht. 5. Bitte vergiss nicht dass meine Herzensergießungen keine Antwort, keine Bestätigung, keine Erwiderung erheischen. Dein Jochen