Göttiche Komödie: der Name wie auf mein eigenes Leben gemünzt. 87 Jahre lang hab ich mich selbst betrogen mit dem Glauben an eine erbauliche edle literarishe Tradition. Und mit dem Verstehen dieses berühmten Buches ist auch dieser Traum zerstoben. Lieber Herr Nielsen, Wahrscheinlich ist's Wiederholung, - denn ich erlebe diesen Bericht aus meiner Kindheit als Inbegriff der Geschichte meines langen Lebens und erzähle immer wieder wie ich als vier oder fünfjähriges Kind bei meiner ersten Begegnung mit ihr von der Literatur als unerträglich überwältigt war. Besinne mich auf den Namen der Kindergärtnerin, sie hieß Hilde Ölmann und betrieb ihr unscheinbares Geschäft in einem großen dunklen Zimmer in ihrem Familienhause. Ich besinne mich auch auf die Schar kleiner Kinder auf niedrigen Stühlen an einer Ecke links der Flügeltüren zum Garten denen Fräulein Ölmann den langen Nachmittag verkürzte indem sie ihnen Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm vorlas. Ich wurde durch dies Märchen so verängstigt, dass ich Kopfschmerzen vortäuschte und um Erlaubnis bat mich im Anliegenden Garten zu erholen. Die großen gläsernen Flügeltüren luden dazu ein. Ich wandelte unter den Blumen, mit meinem Gram allein, da kam das uralte Träumen und schlich mir ins Herz hineien.Die Angst die ich damals spürtre vor einem Gruseln das meine Gespielen belustigte spürte, widerhallt noch heute Nachmittag in mein er Seele, - und wird durch das gewissenhafte Lesen von Dantes Divina Commedia umso erbärmlicher erweckt. Denn die Commedia muss ja auch als Märchen nach seiner Art gedeutet werden. Die Grimmschen Märchen sind verständlich vielleicht als Ersatz für die von Luther verbannten Kirchenmärchen mit denen der Katholizismus die Gemüter betäubte. Ich frage mich, wie ein Mensch seine gequälten Mitmenschen in der Hölle mitleidslos zu betrachten vermag; wie er es unterlassen kann, sich in ihre Situationen einzufühlen, und ihre Leiden zu empfinden, und sich mit der entsetzlichen Behauptung dies sei Gottes Wille zufrieden zu stellen. Mein Urteil, ich muss es gestehen, beruht auf nur beschränkter Kenntnis nicht nur des religionsgeschichtlichen Hintergrunds sondern auch der Texte der Commedia selbst. Ich frage mich ob ich berechtigt bin mir ein Urteil über eine Dichtung zu erlauben, die ich nicht gelen habe, mit der ich nicht inniglich vertaut geworden bin. Und doch, ich muss es gestehen, dass ich Angst habe durch intensivere Beschäftigung mit der Commedia durch sie verwandelt zu werden, abgestumpft, abgehärtet, unempfindlich gegen das was mir heute wesentlicher Inhalt meines (Er)lebens scheint. Besinne mich wie Platon gewarnt hat die Seelenspeise nicht unbedacht zu verzehren, weil sie, wenn verdorben, nie wieder gutzumachende Folgen nach sich ziehen möchte. Diese Gefahr ist Kern und Berechtigung von meines Vaters zur Formel gewordenen Ablehnung des ihm Fremden: Das hat mit mir nichts zu tun! Ich gebe zu, dass wenn ich mich in Dantes Commedia, wenn ich mich in den katholischen Kathechismus vertiefte, ich verwandelt werden würde. Möchte aber bleiben der ich bin! Und alse solche scheint mir folgendes inverkennbar: