Lieber Herr Nielsen, Indem ich meinen jüngsten Brief an Sie aufs Neue überlese, und die Frage um die Theodizee mir ein weiteres Mal ins Gemüt zitiere, finde ich eine vorläufige und gewiss auch vergängliche Antwort mit der ich mich vorübergehend tröste, nämlich dass die Welt, das Universum, der Kosmos, sich verwandet und ein anderer wird, sobald wir es unterlassen Gott als außenstehenden Direktors - oder Komponisten der Tragi-Komödie in der zu spielen unser Schicksal ist, zu deuten; sobald wir die Möglichkeit erwägen, dass der Gottesbegriff uns Menschen eine Notwendigkeit ist, welche das Gedeihen des Einzelnen, aber auch der Gesellschaft, erst ermöglicht, können wir nicht umhin den Gottesbegriff als dem Menschen so lebensnotwedig wie Feuer, Wasser, Luft und Erde in die Natur einbeziehen, verwandelt sich unser Verständnis. Das Ideal, das "unendlich" Schöne und Gute liegt von unserer Erlebensmöglichkeit nicht weniger "unendlich" weit, als eine "Grenze" der Welt in Zeit oder Raum, sei sie als Schöpfung eines menschenähnlichen Geistes oder als physikalische Begebenheit, wie etwa Urknall, oder als letztes Gericht ausgemalt. Hingegen, ein Gott der in die Natur hineinbezogen wäre, würde unsere Ängste, unsere Schmerzen, und unsere Sünden teilen. In diesem Sinn ist die Antwort - sollte ich schreiben - handgreiflich nah: Et incarnatus est de Spiritu sanctu, et homo factus est. Dies also ist das öffentliche Geheimnis des Christentums: Die Abschaffung des Göttlichen. Es war nicht der Mensch, es war der Gott der am Kreuze starb. Demzufolge ist die Theodizee nunmehr überflüssig. q.e.d. Erklärung: Ein Portal zu einer Werkstatt am Vorläufigen und Vergänglichen ist das Schild am Tor einer Vielzahl von Beurkundungen, keineswegs nur meines eigenen Lebens, sondern allgemeiner, des menschlichen Daseins das zu betrachten und vielleicht auch ein wenig zu verstehen mir Gelegenheit gegeben war. Es beruht auf den Neigungen meines vor einunddreißig Jahren verstorbenen Vaters, meiner vor mehr als zwei Jahren verstorbenen Frau, und meiner noch kärklich am Leben haftenden selbst, unsere Gedanken und Gefühle schriftlich auszudrücken und durch das Lesen des Geschriebenen uns ein weiteres Mal, zuweilen verstärkt, zuweilen geläutert, und zugegeben, zuweilen auch entstellt und umnebelt, vergegenwärtigen. Das Bewusstsein der Bedeutung des Geschriebenen hat uns veranlasst die vielen papiernen und digitalisierten Urkunden zu bewahren. Damit wäre einem künftigen Leser, oder einer künftigen Leserin die Möglichkeit des Nacherlebens beschert, denn Nacherleben ist ja worum es geht, nacherleben ist was das Lesen uns ermöglicht, ist was das Lesen von uns verlangt.