Die "natürlichen" Grenzen des Sehens und Hörens, z.B. des Bereichs der Stärke und Frequenz des Reizes (Stimulus) muten uns als selbstverständlich an. Dass es vergleichbare "natürliche" Grenzen des Denkens und des Urteilens geben möchte wird gewöhnlich übersehen; es sei denn dass das Phänomen (die Erscheinung) der Transzendenz als eine solche Grenze erkannt würde. Ein ergreifendes Beispiel ist die Theodizee welche mit den Widersprüchen ringt, dass es anscheinend ein unbedingt Gutes geben muss, nämlich Gott; dass aber die Natur, einbegriffen die menschliche, und besonders diese, die Vorstellung von einer Hölle unentrinnbar macht. Dieser Widerspruch hat einen überzeugenden Ausdruck im römischen Katholizismus, der behauptet, wie Dante in seinem Inferno, Gott habe die Hölle aus Liebe eingerichtet. Wie aber ist die Vorstellung des unbedingt liebevollen Guten mit der unaussprechbaren absichtlichen ewigen Peinigung vereinbar? Dieser Widerspruch deutet auf Eigenschaften des Denkens und des Fühlens welche ich als transzendental bezeichnen möchte, insofern als sie auf unerreichbare Übereinstimmung, auf die Abwesenheit jeglicher Paradoxie hinzuweisen scheinen, Eigenschaften die dennoch unerreichbar sind. Entweder die Hölle ist nicht so unbedingt schlecht, wie sie sein muss um der Boshaftigkeit gerecht zu werden, oder aber Gott ist nicht so unbedingt gut, wie er sein muss, um uns von den unvoraussehbaren, entsetzlichen Veränderlichkeiten des Lebens zu bewahren. Vielleicht sind die Vorstellungen des unbedingt Guten und des unbedingt Schlechten idealisierende Täuschungen; so wie Aristoteles anzudeuten scheint indem er mit dem Begriff der Goldenen Mitte das absolut Gute beseitigt. Wohl bemerkt, die Symmetrie der Logik fordert dass somit auch die Vorstellung des unbedingt Bösen aufgehoben wird, und deutet auf die Gedanken welche Goethe im Faust dem Mephistopheles in den Mund legt. "Ich bin ein Teilvon jener Kraft die stets das Böse will und stets das Gute schafft." Die liebenswürdige Mitte des Guten wird überlagert von der abscheulichen Mitte des Schlechten. Gut und Schlecht werden zunichte insofern sie einander auslöschen. Die Sprache hebt die Unbedingtheit des Ethischen auf, indem sie beansprucht selbst unbedingt zu werden. Aber vergeblich. ============================ Mich beschäftigen die Fragen ob ich die verschiedenen Dokumente die ich gesammelt habe geheim halten sollte, muss, oder darf; das sind Spiegelbilder der Fragen ob ich die verschiedenen Dokumente die ich gesammelt habe veröffentlichen sollte, muss, oder darf. Beide Fragestellungen entsprechen dem Gegenüber von Ich und Gesellschaft. Man mag annehmen (oder gar voraussetzen) das Geheimhalten - oder die Geheimnistuerei - möchte dienen das Ich zu beschützen. Man mag aber auch das Gegenteil annehmen, das Veröffentlichen - oder das Prahlen mit sich und seinen Errungenschaften - möchte dienen das Ich zu bestätigen. Möglich, dass es auf die Frage um die Gehörigkeit der Veröffentlichung keine Antwort gibt, und dass der Sinn der aus der Frage hervorgeht ihre Unlösbarkeit ist. Das Problem erscheint in anderem Licht, wenn man es im Schatten meines bevorstehenden Sterbens bedenkt. Mit dem Tod des Schriftsetzers ändern sich Wert, Sinn, und Bedeutung des Geschriebenen. Um nicht endgültig zu erlischen muss das innere Erleben verallgemeinert werden oder jedenfalls möglicherweise allgemein zugängig. Mit dem Erlöschen der Subjektivität bleibt ihm nichts übrig als allgemein und objektiv zu werden. Denn die Subjektivität erfordert die Gegenwart des Subjekts. Mit dem Abschied des Subjekts wird das bisher Subjektive objektiv. Das Gedicht besteht (nur) in der Abwesenheit des Dichters; und mit meinem Tod wird all mein Schreiben zu Gedichten, was keineswegs besagt dass es gute oder lesenswerte Gedichte werden. Wer soll denn das alles lesen. Die Antwort kurz und bündig: keiner. Die moderne Technik, insbesondere das elektronische Rechnen erleichtert die schriftliche Produktivität So viel wird geschrieben, dass es dem Einzelnen unmöglich ist, auch nur einen Bruchteil zu lesen, geschweige denn alles. Auch ist's denkbar dass die Vielheit und Vielfältigkeit das einzelne Wesenliche verdeckt. =================== Die Veröffentlichung meiner Sonette war entweder eine Bestätigung meines Todes, eine Sterbensverkündigung oder ein Selbstmord der Seele..