Frage mich heute Morgen, ob die Unterschiedlichkeiten der Sprachen, wie ich sie erlebe, vielleicht doch nicht in den Sprachen selber liegt, sondern in meinen Erlebnissen von ihnen; dass mich das Englisch so anders anmutet als das Deutsch, wegen der besonderen Erfahrungen die ich mit einer jedem der beiden Sprachen gemacht habe. Das hieße dann, dass sich die Sprache eines jeden Menschen zugleich mit seinem Wesen, mit seinem Charakter, mit seinem Leben, seinen eigenen Erlebnissen, seinen eigenen Fähigkeite gemäß entwickelte; dass aber die durch Sprache bewirkte Vergesellschaftung eine (dynamische) veränderliche Erscheinung wäre. Um meine gestrigen Erwägungen fortzusetzen: es muss unverkennbar sein, dass mein Denken von dem Versagen meiner Bemühungen meine Bücher zu verkaufen beeinflusst wurde. Die Einsicht dass ich kein bekannter, geschweige denn ein berühmter Schriftsteller werden würde, war die Angel daran mein Denken umschwenkte. Die neue Richtung meiner Gedanken würde die Enttäuschungen des Verkanntseins lindern. Unser Denken, unsere Gedanken dienen uns zu trösten. Es ist die Eigenschaft der eigenen Gedanken uns zu trösten. Die Weisheit der äsopschen Fabel von dem Fuchs und den zu sauren Trauben erstreckt sich wie ein Regenbogen über mein Leben. Hat Nietzsche gesagt, wenn es Götter gäbe, wie hielte ich es aus kein Gott zu sein, also gibt es keine Götter, so schreibe ich, wenn es "klassische" Schriftsteller gäbe, wie hielte ich es aus kein "klassischer" Schriftsteller zu sein. Also gibt es keine "klassischen" Schriftsteller. Der Vollständigkeit halber möchte erwähnt sein, dass was den "klassischer Schriftsteller" betrifft, auch dem "Philosophen" gilt. Mir ist unverkennbar, wie ich mich mit meinem Denken großtue, und wie erpicht ich darauf bin, mich nicht nur durch die Tätigkeit des Denkens sondern auch durch den Inhalt meines Denkens zu bestätigen. Im einleitenden Kapitel meines Romans, äußert Döhring die Meinung die Geschichte der Literatur sei eine politische Vorstellung welche weit weniger als gewöhnlich verstanden, ein Ergebnis der Qualität des Geschriebenen ist und dass nicht selten auch Mittelmäßiges gepriesen, und Erstklassiges übergangen wird; wo der Maßstab des Urteils unbestimmt bleibt. Diese Betrachtung beschwichtigte meine keimenden Minderwertigkeitsgefühle, denn Politiker zu werden hatte ich von jeher verschmäht. Ich vermag ich nicht zu verkennen dass der Preis für die Idealisierung meiner eigenen Bemühungen [Sanierung (Wiedererstellung) dass der Preis für die Achtung meiner selbst] eine entsprechende Entidealisierung, eine Herabsetzung der Geistesgeschichte, ins besondere der Literatur - und Philosophiegeschichte, sein muss. Anders gesagt, der Wert des Eigenen, - und tatsächlich Inneren -, die Aufwertung des Subjektiven wird durch die Herabsetzung des Objektiven bewerkstelligt. Dies scheint mir ein unvermeidlicher und unumgänglicher Ausgleich welchen ich in den verschiedensten Phasen meines Denkens zu erkennen meine; ein Ausgleich der nicht nur mein Verständnis der Geisteswissenschaften beherrscht, sondern ebenfalls mein Verständnis der Naturwissenschaften, der Ethik und der Erkenntnistheorie. Solche Schlussfolgerungen vermag sich nur der alte Mensch,der Greis, nachdem er er einen Schatz von Erfahrungen gesammelt, zu erlauben, Es sind Schlussfolgerungen aber zu denen der junge Mensch der noch keine Erfahrungen hat, unfähig ist. So meine ich die Entfaltung meiner Gedankenwelt als vielleicht unvermeidliche Folge des älter Werdens zu betrachten. My intellectual experience, my intellectual life, appears in retrospect as the progressive replacement of what I had been taught in my youth with the cumulative experience (Erleben) of increasing years; with the consequences that conventional public and professional activity becomes progressively more awkward, and that personal public and professional activity becomes progressively more effective. A telling example of Katenus' theory of assimilation. Infolge dieser Überlegungen ist es mir unmöglich meinen Bemühungen einen objektiven "welt-historischen" Wert beizumessen. Wertvoll sind diese Überlegungen für mich in meinem eigenen Leben, als Trost, als Gängelband, an dem ich mich entwickle, wodurch ich werde der ich bin, gut oder schlecht. Die Folge der Ansicht - oder Einsicht - dass Werturteile über das Geschriebene selten oder nie stichhaltig sind, ist das Ausfallen jeglicher Kriterien der Kritik, - auch an meiner eigenen Arbeit. Die Maßstäbe für's Druckreife einerseits und für's Überflüssige anderseits, erweisen sich als hinfällig. Dem klugen, intelligenten, empfindsamen Leser möchte das Gestümper eines Kinderbriefes, oder einer unredigierten, aus Müdigkeit, - oder vielleicht aus Faulheit - entspringenden fragmentarischen Tagebuchnotiz eben so sinnvoll erscheinen wie ein hoch-poliertes Sonett oder wie eine emsig ausgearbeitete philosophische Auseinandersetzung. Jedoch abwesend jeglicher Leser, sind diese Erwägungen leere Theorien. Was nun die Fülle und den weit ausladenden Umfang meiner Dokumentensammlungen betrifft, so sollten sie vorerst der erstaunlichen, unglaublichen technischen Entwicklungen der vergangenen hundert Jahre angerechnet werden. Damals hätte die Zusammenstellung einer Sammlung so umfangreich wie es mein Netzort schon heute ist, viele Jahre bedurft. Heute ist es in in paar Tagen getan. Wer soll denn das alles lesen? Wer würde sich dafür interessieren. Voraussichtlich kein Mensch. Ich lade keinen ein, und ich erwarte keinen. Ich setze voraus dass meine Zusammenstellungen aller Wahrscheinlichkeit nach ungelesen bleiben werden. Diese Gegebenheit ist im Rahmen der Vergänglichkeit, der Sterblichkeit, alles Lebendigen nicht zu beklagen. Denn Vergänglichkeit und Hinfälligkeit sind nicht nur Eigenschaften, sie sind die Bedingungen der Existenz. Jener einzelne Leser, hiin enkelte, denn mehr als einen einzigen zu konstatieren wäre überflüssig, würde unvermeidlicher Weise meine Worte anders auslegen und verstehen als ich sie meine. Aber auch das ist im Recht, denn Unverständnis oder Missverständnis gehört zu der Hinfälligkeit und Sterblichkeit alles Lebendigen.