Liebe Gertraud, Dank für Deinen Brief mit der lebhaften Schilderung Euerer Krötenrettungen und von dem Reisebericht über die Tage in Wien. Von mir ist eigentlich nichts zu berichten als das Alter das sich mir zunehend und unerbittlich aufdrängt. In zwei Monaten sind es achtundachtzig Jahre. Dabei zögere ich mit dem Schreiben, obgleich es mir nicht weniger leicht fällt als je. Im Rückblick meine ich, dass ich zuviel geschrieben habe, mit nur einem Leser, nämlich mir selber. Kein Wunder dass mich die unaufhörliche Darstellung meiner Gefühle und Gedanken zu langweilen begonnen hat, und dass ich kein Bedürfnis fühle als zu schlafen und die Träume von der Vergangenheit zu träumen, Träume die mir so lieblich und lindernd durchs abendliche Gedächtnis schweben wie rosa Wolken in den Strahlen der sinkenden Sonne. Dass es bald dunkel sein wird, bekümmert mich nicht, geschweige denn dass es mich ängstigte. Dir und Bernd sende ich meine, wenn auch zaghaften, Frühlingsgrüße. Jochen