Die Zeit verging wie sie es unvermeidlich tut. Die Krisenepoche in welcher Katenus und Elly unmittelbar von Verhaftung wegen Landesverrat, mit lebenslänglicher Zuchthaus- wenn nicht gar Todesstrafe bedroht, von der Insel geflohen waren, lag in der Vergangenheit. Die beiden hatten sich in der Linnaeusstraße eingelebt und waren, so schien es, unverbrüchlich Mitglieder des Döhringhauses geworden. Katenus fuhr fort seine philosophischen Träume zu entspinnen und seine in der Phantasie wurzelnde Philosophie auszubauen. Wenngleich in der uns allen unentrinnbaren Welt, das Leben von der Brutalität der Gesellschaft und von der Verderbtheit der Regierung überschattet wird, lebten Katenus und Elly harmonisch, in gegenseitigem Verständnis und Liebe im Döhringhause wie auf einer Insel des Glücks inmitten der Stürme welche die umliegende Welt verheerten. Katenus war sich des Übermaßes seines Redens peinlich bewusst, und er versuchte nicht nur seine Zunge, er versuchte auch seine Gedanken zu zügeln. Das merkten auch Jonathan und Joachim. "Du bist ja so still," sagte Jonathan zu ihm eines Abends beim Essen. "Wir haben uns so an die Darstellungen Deiner Gedanken gewöhnt, dass wir sie, wenn sie ausbleiben entbehren." Katenus sagte nichts. Er war von Jonathans gutem Willen überzeugt; er wusste dass Jonathan ihn weder verschmähen noch verhöhnen würde. Die Ironie, und Katenus empfand sie aufs eindringlichste, wurzelte in der Ungleichheit der Stellungen. In diesem Bezug bemerkte Katenus zu Elly: Jetzt haben wir Gelegenheit für die friedlichen und glücklichen Beziehungen zwischen Dir und mir dankbar zu sein. Und doch, ganz so ruhig wie man es sich hätte wünschen mögen, ging auch das Leben im Döhringhause nicht vor sich. Es war aber Charlotte oder jedenfalls so erschien es Jonathan die Quelle der Unruhe. Obgleich sie schon seit Wochen, - oder schon seit Monaten, in Joachims Bett allnächtlich den Beweis empfing den sie so ausdrücklich begehrt hatte, dass sie tatsächlich ein Teil dieser Familie war, war es unverkennbar dass Charlotte unzufrieden war. Und keiner wusste weshalb. Dass zwischen den beiden jungen Menschen keine Ehe geschlossen war, und keine Ehe in Aussicht stand, waren sie beide zufrieden; zufrieden auch dass die gewissenhafte Anwendung von Verhütungsmitteln den Problemen der unehelichen Schwangerschaft und den Elternverpflichtungen vorbeugte. Joachim hegte das beunruhigende Gefühl dass sein Leben sich gerade in diesen Monaten einer Verwandlung unterzog, deren Ausgang er sich nicht vorzustellen vermochte und der deshalb einer Bindung fürs Leben im Wege stand. Zugleich aber diente das Verhältnis zu Charlotte ihm die dringende körperliche Not zu lindern; und er war Charlotte dankbar, sehr dankbar, dass sie ihm diesen Kompromiss ermöglichte. Hinzu kam, dass, anders als man es hätte erwarten mögen, die neue Beziehung zu Charlotte, Joachims Freundschaft mit Jonathan keineswegs beeinträchtigte. Im Gegenteil, je enger seine Beziehung zu Charlotte, umso ersprießlicher schien Joachims Zusammenarbeit mit Jonathan zu gedeihen. Das empfand auch Jonathan. Charlottes Unzufriedenheit mit ihrem neuen Leben das sie so ausdrücklich ersehnt hatte, fand einen unerwarteten Ausdruck. Sie wollte, sie bestand auf einen Hund. Das geschah in folgender Weise. Ungezählte geichmäßige Tage waren dahingezogen. Der Frühling war zum Sommer, und aus dem Sommer war Herbst geworden, als Charlotte bei einem Abendessen plötzlich und eindringlich von sich hören ließ.