Belmont, am 26. Mai 2018 Mein liebes gutes Kind, Fast den ganzen heutigen Tag hab ich mit einem Brief an Niels Holger Nielsen, dem Vater unsres Nachbarn Alexander Nielsen, - Du besinnst Dich - verbracht, und dieweil ich schrieb musste ich unaufhörlich an Dich denken, so dass man sagen möchte ich hätte durch Nielsens Namen an Dich geschrieben. Erinnerst Du, wie scheu wir waren in den Jahren als wir einander kennen lernten und um einander warben, unsere gegenseitige Liebe auszusprechen, wie ein jeder von uns vor den Worten "Ich liebe Dich" zurückschreckte, als sei die Sprache zu schwach dem Sturm, der Flut der Gefühle gerecht zu werden, besorgt dass auch nur der Versuch die Liebe in Worte zu kleiden, die Kleidung zerreißen, zerstören würde. Nicht mehr. Seit Deinem Abschied hat sich mein Leben in ein Lied der Dankbarkeit verwandelt, Dankbarkeit für Dich und Deine Liebe die mir das flackernde Leben gerettet und neu entzündet hat. Seit dem 2 Januar dieses Jahres ist, wie ich Dir schon schrieb, Nathaniel zu mir in unser leeres Haus gezogen. Als Siebenundzwanzigjähriger ist er noch immer schwierig, und erinnert mich an unsere, Deine und meine gemeinsame Sorge um ihn als wir ihn als kleines Kind pflegten. Damals, besinnst Du Dich, hat er sich um uns zu ärgern, oder genauer betrachtet, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen., hinter dem Sofa verkrochen. Ich deute sein Benehmen als Ausdruck eines tiefwurzelnden Exhibitionismus. Das gleiche ist die Wurzel seines Drangs zu dirigieren, auf Bühnen zu erscheinen um zu beweisen wer er ist. Neuerdings meldet sich sein Exhibitionismus als sein starkes Bedürfnis als Herr eine gehorsamen, treuen Hundes aufzutreten. Der neue Hund aber ist anderen Sinnes und macht nicht mit. Wer aber bin denn ich? Was habe ich geleistet? Woher nehme ich das Recht zu einee so verletzenden Beschreibung, zu einem so gefährlichen Urteil? Jedenfalls auf Dich kann ich mich verlassen, dass Du meine Einsichten, meine Ansichten, meine Vermutungen nicht verbreitest. Mein eigenes Denken, wenn ich es recht verstehe, ist ja auch ein Ausdruck der Selbstbehauptung, mit dem Unterschied dass meine Überheblichkeit mich der Notwendigkeit entlastet, mich öffentlich als überlegen vorzuführen. Wer ich bin, und was ich bin, meine ich im Stillen zu wissen, und auch Dir hätte ich es bei Deinen Lebzeiten nicht mitgeteilt, aber da Du nun gestorben bist, darf ich mich Dir meine Beichte ohne Vorbehalt ablegen. Und wie viel habe ich nicht Dir zu beichten! Ich weiß nicht wo ich beginnen sollte, aber keineswegs bei einer kritischen Beschreibung von Nathaniel. Der neue Hund macht Schwierigkeiten die ich meine vorausgesehen zu haben, obgleich es scheint dass sie von Klemens und Nathaniel unvorhergesehen sind.