Mein liebes gutes Kind, Indem ich einen weiteren Brief an Dich aufsetze, frage ich mich, ob Du denn wirklich das Viele lesen willst, das mir im Gemüt schwirrt und spukt. Da besinne ich mich auf ein ganz frühes Liebesbekenntnis von Dir vom 29. Dezember 1949. I have been reading some poetry by a modern American poetess. The poems are not exceptionally good but they speak to my condition. She refers more than once to the feminine beauty and wisdom of silence. I have thought quite a lot about it and also about my delight in listening to your spoken exposition, its logic and clarity. If I were given my choice of the goods in your keeping, I am afraid I would not choose any of the virtues which you would like to give me, but rather this logic and clarity of expression. My choice is not purely utilitarian; language plays a very large part in my aesthetic appreciation of people. I think I could sit quite happily for hours alone with you in the same room just listening and I wouldn't need even to touch your hand - until the moment came when I had to tell you of my delight and happiness, and then I'm afraid there would be no words. This is, of course, only a half-truth, but it is one of my better half-truths. Now I have shirked my responsibilities long enough. It is supper-time, and I must help. Write me a good letter next week if you do not come; I will certainly need a letter, ... Liebes Kind, wie gerne würde ich noch diese Woche bei Dir sein, aber es scheint wir beide müssen uns gedulden und noch ein bisschen warten. "Nur eine kleine Zeit, dann ists gewonnen/ dann ist der ganze Streit in nichts zeronnen/ Dann darf ich laben mich an Lebensbächen/ und ewiglich mit Dir und Jesus sprechen." Inzwischen mag dies der Brief werden worum Du mich batest. Ob es ein guter Brief werden wird, wage ich nicht zu beurteilen. Was ich Dir zu schreiben weiß, ist lediglich was mir jeweils durch den Kopf geht, und heute Nachmittag sind das Betrachtungen betreffs Rickerts Buch über die Abgrenzung der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung gegen die der Geisteswissenschaften. Vorerst finde ich es notwendig mich zu fragen, was weiß ich überhaupt von Natur- und Geisteswissenschaften. Vielleicht sehr viel, sollte ich meinen, wenn Augenheilkunde unter die Naturwissenschaften gestuft wird, denn ein jeder von uns, auch Du, hat in seiner Weise einen beträchtlichen Teil des Lebens mit Ophthalmologie verbracht. Wenn sie es nicht schon war, ist die schlichte deutsche Augenheilkunde durch die Annahme des melodischen griechischen Ausdrucks zur Naturwissenschaft geworden. Ihr Auftreten als Wissenschaft jedenfalls ist durch den schönen fremden Namen bestätigt. Die Vorstellung einer Wissenschaft wird durch die Veröffentlichung der verschiedenen Lehrbücher mit dem Titel: Textbook of Ophthalmology bestätigt. Und ich meine - findest Du das dumm von mir ? - schon das Erscheinen eines Buches das vorgibt zusammenzufassen was die verschiedensten Sachverstaendigen im Laufe der Jahre über dies zweifellos bedeutende Wissensfach behauptet und erklärt haben, stempelt dies Unternehmen zu einer Geisteswissenschaft und deutet darauf hin dass der Versuch Geistes- und Naturwissenschaften von einander zu unterscheiden, ein Fehler ist. Bedenke doch das große Gebiet der sogenannten Geschichte der (Natur)Wissenschaften, und frage Dich ob es nicht vielleicht ein Missverständnis besagt eine Wissenschaft von der Vergangenheit, von der Geschichte dieser Wissenschaft, von der Geschichte seinerselbst zu trennen. - So weit war ich gekommen als ich - vielleicht aus langer Weile, - über der Tastatur einschlief. Jetzt aber bin ich wieder wach.