Belmont MA am 8. August 2018 Liebes Kind, Mein gestriger Brief war durch das Hinzukommen neuer Besorgnisse unterbrochen worden, die es mir unmöglich machten ihn zu beenden. Nathaniel nämlich ersuchte mich um Erlaubnis für einen Besuch eines ihm Bekannten aus Princeton der in Boston wie Nathaniel selber eine billige Wohnung - wer weiß für wie lange - sucht. Ich bat um Überlegungszeit, und dann lehnte ich die Bitte ab, mit der Erklärung, die Situation hier im Hause befinde sich am Rand des Unmöglichen und könnte keine weitere Belastung ertragen. Zur Antwort gab mir Nathaniel eine Strafpredigt die darauf hinaus ging, dass ich ihm ein unliebsamer Mensch sei, der das Geschehen übermäßig negativ betrachtete, indessen er, Nathaniel ein positiv eingestellter Mensch sei. Infolge dieser Auseinandersetzung setzte ich folgenden Brief an Nathaniel auf: NOT SENT Dear Nathaniel, Thank you for taking the time this afternoon to give me so candid an account of how you feel about the person that I am. I welcome criticism. I am never offended, and I try to learn. However in the present situation I am helpless since especially at age 88, I cannot change myself. The older I get, the more I find it painful and difficult to be someone who is disliked, ignored and treated with contempt, by implication if not explicitly. I long for the days after Grandmas death, from October 14, 2015 to January 2, 2018, when I lived alone in this house and no family member came to talk to me, obnoxious as I am, in part surely, as you yourself explained to me, because I had disgraced the family name (which incidentally it got from me) by litigating for 11 years with the town of Nantucket. I think back with happiness and gratitude to those two years and two months when I could walk through this house without encountering someone who dislikes me for being the person I am. You were on the right track in March when you asked Klemens for a subsidy to make it possible for you to rent (or buy) premises independent of me where you and your dog could lead the good life. In retrospect it was obviously a mistake for us to dissuade you from taking that avenue. But it's not too late to return to that direction. Fortunately there's plenty of money in the family, and when you add up the costs of room and board for Benjamin at Dartmouth College, Bryn Mawr College and Columbia Medical School, the costs of room and board for Leah at Yale, and the costs of room and board at Yale for yourself, where all this education was available in Cambridge and Boston without costs for room and board, you will have an estimate of how many thousands of dollars the family has spent to make it unnecessary for family members to live together under the same roof. There's nothing wrong with that; it's no shame, and it's natural. I ask you to do nothing while Sabine is living here. I want under no circumstances that Sabine should be embarrassed in any way. I understood you to say that she was here for the month of August, and I assume that she will leave in the first half of September. After Sabine has left, please start looking for a place to stay, other that 174 School Street, a place which you do not have to share with someone such as myself whom you cannot bring yourself to like. If you wish, I can help you look for suitable real estate. Next, prepare a budget with your anticipated earnings and anticipated expenses including rent, and the anticipated subsidy required to make ends meet. For the budget, you will need Klemens' help, since I have no knowledge at all a) of your assets and earnings, b) of Laura's assets and earnings, c) of Klemens assets and earnings, all of which are required to calculate a feasible subsidy. Klemens has all details the assets which belong to me. They are available as needed. Please understand clearly, and don't forget: a) that I do not, under any circumstances, want to be an agency that separates you from your dog, b) that I do want to make it possible for you to leave 174 School Street if and when you deem leaving 174 School Street to be in your own best interest, c) that although I would very much like to live here by myself, I am not asking you to leave 174 School Street. Jochen ==================== Obgleich dieser Brief ein getreues Spiegelbild meiner Gefühle darstellt, zögere ich ihn abzusenden, und werde es wahrscheinlich nicht tun, weil Nathaniel, obgleich er sechs Jahre studiert hat, dennoch nicht zu lesen gelernt hat und meine Worte ihm lediglich als Auftakt zu neuen eigenen Phantasieen dienen würden. So zum Beispiel meine Bemerkung neulich, dass da für mich mit meinen 88 Jahren der Tod eine neue Bedeutung hätte, ich die eventuelle Tötung des Hundes ohne Angst und ohne Trauer erleben könnte, erzählte laut Klemens' Bericht, Nathaniel seiner Mutter, ich hätte gesagt der Hund sollte getötet werden. Die Umstände die heute in diesem Hause herrschen, spiegeln sich in folgender Geschichte. Kurz nachdem Nathaniel am 17. März, meinem Willen zuwider, seinen Hund ins Haus gebracht hatte, bemerkte ich wie der Hund durch das Aroma der Speisen die ihm grundsätzlich vorenthalten wurden, wiederholt die Tresen und den Herd in der Küche ansprang. Ich befürchtete, dass eines Tages, wenn zufällig eine der vorderen Heizspiralen glühten, der Hund sich eine schwere Vorderpfotenverbrennung zuziehen würde. Deshalb entfernte ich vorbeugend die vorderen Schalterhebel und tat sie ins Schubfach des Tresens links vom Herd; Du Dich besinnst Dich. Als ich vor etwa drei Tagen die besagten Hebel den Vorderschaltern aufs Neue angeheftet waren, machte ich Nathaniel und seine Freundin Sabine, beide zur Zeit in der Küche, aufmerksam auf die Möglichkeit einer schweren lähmenden und vielleicht tödlichen Pfotenverbrennung; und erhielt von Nathaniel die Antwort, es bestünde keine Gefahr weil die Heizplatte nur in ihrer Anwesenheit angeschaltet wäre; und außerdem wäre eine solche Verbrennung wünschenswert, insofern sie den Hund belehren würde. It will teach him a lesson, waren seine Worte. Und doch waren die vorderen Heizplatten meinem Vorschlag gemäß am nächsten Tag deaktiviert. Als ich Klemens diese Geschichte zum zweiten Mal erwähnte, erzürnte er, und sagte er wolle davon nicht ein zweites Mal hören; und äußerte außerdem, wenngleich mit schwacher Stimme, als glaubte er's selbst nicht, Nathaniel hätte recht, und tödlich sei eine solche Verletzung keineswegs, denn man sähe nicht selten einen Hund auf drei Beinen hüpfen. Ich erzähle Dir diese Geschichte nicht nur weil sie so bezeichnend ist für die Umgebung in der ich lebe und in der ich sterben werde, sondern bezeichnend auch für die Weise in welcher ein jeder von uns sich der Sprache bedient um sich zu rechtfertigen, um sich eine geistige Umwelt zu schaffen in welcher er - oder sie - zu bestehen vermag. Ich erinnere Marions wunderbar wahrhaftige Bescreibung der Familie der sie entwchsen ist: "It's a terrible loss that my father was separated from your family for so long. He harbored unshakeable loyalty and deep love for your family, as well as for my mother. Since my mother believed she had deep grievances against your parents, and felt totally uncomfortable and disrespected in their presence, this created an insoluble dilemma for my father. My mother had wonderful qualities, but she was terribily domineering, so my father COULD NOT challenge her views or decisions without unleashing a cauldron of anger and, in the end, he would have had to submit. It wasn't worth it. (Letter of June 12, 2009) In diesem Sinne deute ich meiner Familie lebenslange Kritik an mir, kürzlich Benjamin, der mir die Schuld für seinen Pfeilschuss in Leahs Auge zuschob, insofern als ich ihm Pfeil und Bogen geliefert hätte, nicht seiner Mutter, die darauf bestand ihm dieses Spiel zu erlauben; kürzlich Nathaniel, der in einem Augenblick der Verzweiflung "This dog is ruining my life!" hervorgestoßen hatte; dann aber behauptete er hätte gesagt nicht was er empfand, sondern was ich hören wollte. Und Klemens dessen schweres Leben ein wenig erträglicher wird, wenn er mir die Schulden zuschiebt, für die Tatsache dass Laura sich weigerte in dies Haus zu ziehen, vorgeblich weil ich es ihr nicht überlassen wollte, für meine Demütigung bei der Untersuchung von Leahs Auge vom Kinderophthalmologen bei der man meine Anwesenheit und ärztliche Kompetenz völlig übersah, meine Körperhaltung (body language); für die Unvollständigkeit des Nantucket Hauses, dass ich keinen Klempner zu finden vermochte und mich gegen die Zerstörung meiner Anlage gerichtlich wehrte, für Deine Umnachtung, mein bewusstes Dir Vorenthalten von Erzählungen die Dich verwirren möchten, als "sensory deprivation", indessen seine Erwähnung des "Knoll" in Damascus wo wir fünf Jahre lang gewohnt hatten, meine Begründung bestätigte, indess sie Dich verleitete Deinen kleinen Bruder Peter, mit Henry Vestal zu verwechseln. Am schlimmsten aber sind meine eigenen fragwürdigen, lügenhaftigen Verdrehungen der Beziehungen zwischen Dir und mir, wenn ich, wie neulich Cristina gegenüber, behaupte ich hätte Dich aus Mitleid für Deine große, tiefe Liebe zu mir geheiratet, wo es doch offensichtlich ist, dass ich mich, indem ich Dich heiratete, vor mir selbst gerettet habe. Mit meinen mich selbst rechtfertigenden Behauptungen verdecke ich das Maß in welchem ich vor Dir im Unrecht war, im Unrecht bin, und ewig im Unrecht sein werde weil Du Dich und Dein Leben für mich geopfert hast.