Mein liebes gutes Kind, Wie soll ich schreiben: Ich hoffe sehr dass Du gut geschlafen hast, oder ich hoffe sehr dass Du immer noch gut schläfst. Meinerseits will ich bekennen dass auch ich gut geschlafen habe, dass ich aber auf den kommenden großen Schlaf umso begieriger bin. Gestern war ein Tag der beitrug mich zu überzeugen, dass es fast soweit ist. Vorgestern abend hatte ich zufällig beobachtet wie Nathaniel einen Besucher, ob einer seiner Trompetenschüler oder Kapellenmusiker, weiß ich nicht, aus der Tür des Anbaus, auf den schmalen ungepflegten Fußweg nächst dem scharf abfallenden Graben in die dunkle Nacht entließ. Nathaniel hatte es unterlassen das Außenlicht anzuschalten. Mir schien die Gefahr nicht gering, dass ein in dieser lässigen Weise ausgewiesener Gast in den steil kantigen Graben stolpern und sich schwer verletzen möchte. Schrieb also folgenden Brief an Nathaniel mit Kopie an Klemens: To: "nathanielmeyer1@gmail.com" Cc: Klemens Meyer gmail From: Ernst Meyer Subject: Addition Door Date: Wed, 15 Aug 2018 20:50:59 -0400 Dear Nathaniel, Other than yourself, please do not permit anyone, including Sabine, to enter or exit the house through the patio door of the Addition. The walkways leading to that door are not maintained and any person injuring him or herself on account of that absence of maintenance would have a valid legal claim for negligence, against you, against me, and against the two million dollar house. Jochen Von Nathaniel erhielt ich keine Antwort. Aber Klemens schrieb mir: To: Ernst Meyer From: Klemens Meyer Subject: Nathaniel_lodging Date: Wed, 15 Aug 2018 23:04:08 -0400 It would not be helpful for me to comment on your email, or on this evening's events. Schließlich gestern Abend, am 16. August um etwa halb zehn, erschien Klemens. Er hatte, wie er mir später schrieb, sich vorgenommen mich nicht zu kritisieren, vermochte sich denn aber der Vorwürfe doch nicht enthalten. Mit meinem Einbeschließen von Sabine in die Zahl vorstellbarer Schadensersatzkläger hätte ich Sabine, Nathaniel, und sämtliche übrige Familienmitglieder schwer beleidigt, und es sollte mich nicht verwundern, dass sie mich nicht möchten und nichts mit mir zu tun haben wollten. Ich glaube Klemens hat recht. Sie waren beleidigt, ob mit zureichendem Grund wäre eine weitere Frage. Vorerst scheint es mir unverkennbar, dass sie des Unmuts gegen mich dringend bedürftig sind um ihre Familie zusammenzuhalten, zu befestigen. Was weiteres hätten Nathaniel und Leah, die sich anders nicht ausstehen können, gemeinsam als die Überzeugung dass ich ein unmöglicher Mensch bin. Vielleicht dient diese Überzeugung als ein Band das auch Rebekah an die Familie, und Klemens und Laura aneinander bindet. Nach weiterem Bedenken scheint mir mein gewissenhafter Brief ohne Vorbehalt nicht nur berechtigt sondern erforderlich. Sabine ist mittellos; sie vermag nicht einmal ihre Studienkosten aufzubringen. Sie wird über eine Versicherung verfügen welche Krankenunkosten allenfalls kurzfristig bestreiten wird. Für Pflege die sich Monate, Jahre, wenn nicht gar lebenslang erstreckte, wäre Sabine auf staatliche Mittel angewiesen, und um diese zu beziehen würde von ihr verlangt sämtliche ihr zur Verfügung stehende persönliche Mittel einbeschlossen den Erlös einer hochwertigen Schadensersatzklage erschöpft zu haben. Wenn nicht von eigenem Antrieb, würde Sabine vom Staat gezwungen Nathaniel, mich, und den Verwalter oder Treuhänder des Hauses zu verklagen. Ähnlich verhalten sich die Umstände wenn Sabine auf Grund einer Gehirnverletzung unzurechnungsfähig würde. In diesem Falle wäre ihr vom Gericht bestallter Vormund, ungeachtet Sabines vorstellbarer Wünsche auf Grund ihrer Beziehungen zu Nathaniel aus Rechtsgründen verpflichtet einen Schadensersatzprozess, auch abwesend jeglichen staatlichen Zwangs, einzuleiten. Dass auch nur die Erwähnung einer möglichen Schadensersatzklage auf Seiten Sabinens als äußerst kränkend und beleidigend empfunden werden sollte ist an sich schon bemerkenswert und bedeutsam. Wäre die Festigkeit und Innigkeit der Beziehung der beiden jungen Menschen zueinander so stark und verlässlich dass eine freiwillige Schadensersatzklage auf Seiten Sabinens tatsächlich undenkbar ist, dann wäre auch die Erwähnung einer solchen Klage belanglos und einwandfrei. Dass aber nur die Erwähnung einer möglichen Schadensersatzklage auf Seiten Sabinens eine kränkende Aufmerksamkeit hervorruft, ist Beweis dass sie den Beteiligten denkbar ist, und demgemäß ist die Anweisung die Gefahr zu vermeiden vernünftig und notwendig. Ich bin traurig und müde. Der Gedankenfaden ist abgerissen. Ich habe Angst vor dem Hund, mehr aber noch vor Nathaniel. Ich bin verletzt und gedemütigt. Ich schäme mich meiner Schwäche und meines Alters. Ich hatte Vorbereitungen getroffen morgen oder übermorgen nach Konnarock zu fahren. Wenn ich aus dem Fenster blicke, und Nathaniel seinen Hund an der Leine führen sehe befällt mich die Angst, das Haus allein zu lassen. Man sagt Nature abhors a vaccum. Die Leere des Hauses saugt Bewohner, zieht sie an. Bin ich fort, so ist's das Natürlichste dass Nathaniel und sein Hund erneuten Einzug halten. Das wünsche ich zu vermeiden, denn ich bliebe gern so allein und einsam in diesem Haus wie seit gestern. Bin mir des Widerspruchs bewusst. In meinem Brief an Klemens schrieb ich, dass ich Nathaniel vor dem Bewusstsein unerwünscht, verstoßen, obdachlos zu sein schützen möchte. Das ist und bleibt mein Wunsch. Ich war längst auf den Gedanken gekommen, Nathaniel mit Geld abzufinden, ihm' hundert oder zweihundert Tausend Dollar zu schenken auszuziehen. Aber welche Beleidigung ein solcher Schattenpreis der Unbeliebtheit! Die Lösung ist die Schmach für alle Unzulänglichkeiten anzunehmen, bereit als der unbeliebteste Großvater zu erscheinen, und mich ad libitum bemängeln und kritisieren zu lassen. Damit wäre der Einmütigkeit der Familie gedient, die anderweitig betreffs nichts zu übereinstimmen vermag, als dass ich ein schwieriger, unangenehmer Mensch bin, mit dem keiner etwas anzufagen vermag, ein Störenfried dem nach Möglichkeit aus dem Wege zu gehen ist. Das soll nun meine Rolle sein. Ich bin mit ihr zufrieden. Aus weiterer Perspektive, erscheinen mir diese Verhältnisse sehr menschlich, oder sollte ich schreiben tierisch; notwendig zum Entstehen und zu Erhaltung, zum Gedeihen der Herde. Nicht nur wird der Störenfried verharmlost, sondern die Herde wird mittels der Einmütigkeit ihrer Ablehnung durch seine Anwesenheit gestärkt.