am 23. August 2018 Lieber Jürgen, Vielen Dank für Deinen Brief. Ich denke oft an Dich und frage mich wie es Dir und Maria wohl geht, und womit Du Dich gegenwärtig beschäftigst. Entschuldige bitte die Verwirrung betreffs des Beitrags "Zur Oerlinghausener Synagogengeschichte den ich vor etwa fünf Jahren, infolge Deiner Anregung für Dich schrieb und Dir übersandte, der seit November 2013, an meinem Netzort unter http://home.earthlink.net/~ej2meyer/diary13/Synagogengemeinde veröffentlicht geblieben ist. Ob das Urheberrecht zu dieser geringen Faselei jetzt Dir gehört oder mir, das weiß nur der liebe Gott, gewiss aber ist weder Dr. Reinhold Busch noch dessen Verleger CreateSpace der Inhaber. Zwar habe ich Dr. Busch ausdrücklich erlaubt diesen Aufsatz abzudrucken, aber ein Abtritt des Urheberrechts der mir weiteren Gebrauch dieses Textes untersagte, ist mir nicht in den Sinn gekommen. Der Zweck dieser kleinen Schrift ist schwarz auf weiß in ihr selbst beurkundet in den Worten: "der Aufsatz dem diese Betrachtungen beigefügt werden, behandelt die Geschichte der Oerlinghausener Synagogengemeinde." Ich maße mir nicht an Dich in deutschen Urheberrechtfragen zu beraten, aber was mich selber anbelangt so zaudere ich nicht Dir hiermit beides, den Nachdruck des Dir einst übersandten Originals, oder der verbesserten Fassung im Anhang zu diesem Brief zu gestatten. Es ist mir aber auch denkbar, dass Du dem Nachdruck eines anderswo veröffentlichen Textes, ungeachtet Deines Vorrechts dazu, grundsätzlich abhold bist. In diesem Falle wäre es mir ein Spaß einen zweiten Aufsatz für Dich zu schreiben, der mein weiteres Denken über was die Synagoge meiner Familie und mir bedeutete auseinandersetzt. Die Tatsache, vielleicht Dir schon aufgefallen, ist dass ich mit liederlicher, leidenschaftlicher, verantwortungslose Hingabe schreibe, und dass die Vorstellung mein Erguss möchte auch nur von einem einzelnen Menschen gelesen werden, mich zufrieden stimmt. Selbstverständlich werde ich mich freuen, wenn Du mich Deine Entwürfe zur Oerlinghausener Synagogengeschichte lesen lässt. Ob was ich dazu zu sagen vermöchte Dir behilflich wäre, ist eine andere Frage. In Beziehung auf die Entsetzen erweckenden politischen Entwicklungen die uns von allen Seiten bedrängen, erinnere ich aus "Jenseits von Gut und Böse": “Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” Vergib es mir wenn ich mich als ein Art Holocaustleugner entpuppe, wenn ich behaupte dass der Holocaust nicht eine Erscheinung der Vergangenheit WAR, sondern dass der Holocaust eine Erscheinung der Gegenwart IST, dass was mein Präsident den mexikanischen Eltern und ihren Kindern antut, durchaus vergleichbar ist mit dem was die Nazis taten als sie meine Tante Toni ins Vernichtungslager verschleppten. Zugleich meine ich einzusehen dass die Brutalitäten, sei es der israelitischen, sei es der amerikanischen, der russischen, tatsächlich die Brutalitäten ALLER Völker auch menschlich sind. Mein Steckenpferd ist die Behauptung: die Erbsünde war nicht das verzehren eine Apfels vom Baum der Erkenntnis, sondern das Verzehren NUR eines Apfels. Hätte Adam einen Scheffel Äpfel verzehrt, hätte er vielleicht einsehen können, dass er am Ende doch nichts mehr als ein Tier unter Tieren ist. Dass wusste Goethe: Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. Ein wenig besser würd er leben, Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennt's Vernunft und braucht's allein, Nur tierischer als jedes Tier zu sein. Meine Soziologie behauptet dass die Menschen von Natur feindselig gegeneinander sind; dass menschliche Gesellschaften nur möglich sind, wenn die Menschen einen Stein des Anstoßes, einen Sündenbock finden, den sie zu hassen, zu verachten und zu zerstören vermögen; das war und ist für die Deutschen der Antisemitismus, die Ausländerfeindschaft, denn nur dann, nur im Krieg gegen einen unentbehrlichen Feind, vermögen sie sich mit einander zu verständigen und zu vertragen. Nur im Hass gegen den Feind ist ihnen ihre Gemeinschaft erträglich. Nur im Verwerfen des "Bösen" finden sie das "Gute". So erkläre ich mir den National-Sozialismus; so erkläre ich mir die traurige Geschichte der Menschheit überhaupt. Lieber Jürgen, ich entschuldige mich für meine Leidenschaft; sie ist der Ausdruck meiner Angst. Ich grüße Dich und Deine Maria. Jochen