Mein liebes gutes Kind, Es ist ein sonniger Morgen, aber ein trauriger Tag. Warum, wieso wüsste ich kaumzu sagen. Ich hab so viel im Sinn, ich hätte so viel zu sagen, doch keiner ist da der es hören will; schlimmer noch, es darf nicht schriftlich niedergelegt werden. Kaum darf ich es aussprechen? Warum nicht? Weil es die Wahrheit wäre, und weil in einem Land wo die Lüge herrscht, das Aussprechen der Wahrheit strafbar ist. Ich gewöhne mich an die Ruhe außen und innen, an die völlige Einsamkeit. Die Einsamkeit war, bis auf Dich, von jeher das Thema meines Lebens, und wird es nun bis ans Ende bleiben. Wie ich Dir schrieb. Nathaniel, sein Hund und seine Sabine sind fort, sind abgezogen ohne ein Wort des Abschieds. Über Nathaniel hab ich zu Klemens gesagt, dass Nathaniel gegen die Wirkungen seiner Handlungen unempfindlich ist; worauf Klemens mir erwiderte, von mir könnte man, müsste man die gleiche Vorstellung treffen. Ich beschäftige mich mit der Annahme dass er recht hat. Dann wäre ich, dann wäre mein Wesen, das ich nicht zu ändern vermag, der Stein des Anstoßes, dann läge es an mir, dass ich von der Familie ausgeschlossen, dass ich einsam bin. Wäre es nicht für mich unendlich bedrückend in diese Familie die mich nicht mag, die mich nicht will, die mich seit dreißig Jahren boycottiert hat, einbeschlossen sein zu müssen? Welch eine Demütigung. Welch ein Albtraum! Da sage ich mir dass es ein Segen ist, dass ich endlich Einsamkeit die ich gesucht, die ich ersehnt, gefunden habe. Wahrhaftig ich habe keinen Grund zur Klage. Dass ich dereinst, hoffentlich in nicht allzuferner Zeit, vereinsamt und verlassen sterben werde, ist mein Schicksal, unabwendbar, ist so wie es sein sollte. "Bist Du bei mir, geh ich mit Freuden Zum Sterben und zu meiner Ruh" spielt Nathaniel wunderbar auf der Trompete ohne eine Ahnung was es bedeutet.