am 11. August 1994 Liebe Margrit, Mir kommen immer noch nachzügelnde Gedanken über unsere Beziehungen zu einander. welche aufzuzeichnen, mich befriedigt, zum Teil aus der Überzeugung, daß, je besser wir einander verstehen, umso geringer ist die Gefahr, daß wir einander verletzen. Denn mir scheint es unausweichlich, daß wir in künftigen Monaten und Jahren diese Beziehung immer aufs neue werden untersuchen müssen, zum Teil weil wir sie ja noch heute, nach so vielen Aufregungen, kaum genügsam erkennen können, teils weil ein jeder von uns sich unvermeidlich verwandeln wird, und damit wird auch die Beziehung sich verwandeln. Bei meinen Betrachtungen wird mir immer klarer, wie ungehörig es von mir war, eine Anpassung an meinen Lebensstil von Dir zu erwarten, oder gar zu verlangen, bei meiner eigenen Abneigung mich Deinem Stil, oder an sonst einen anderen zu fügen. Unsere Unzufriedenheiten mit einander sind symmetrisch. Deine Enttäuschung über das Ausbleiben einer innigeren Beziehung zu den Kindern, Klemens, Rebekah, Nathaniel und Benjamin, ist richtig betrachtet ein Spiegelbild meiner Enttäuschung über Dein Fernbleiben von unserem Familienleben, oder meiner Vorstellung davon. Mein Vorschlag Dich bei uns einzuleben und Dich uns anzupassen, nicht unähnlich einem angeheuerten Kindermädchen, um somit die erwünschte Beziehung zu den Kindern zu zeitigen ist ist zwar durchaus logisch aber doch unmöglich. Ebenso könntest Du vorschlagen, daß wenn mir wirklich an einer Beziehung zu Dir soviel liegt, sollte ich mich unter Deine Freunde mischen, Du würdest mich gewiß deshalb nicht benachteiligen, daß ich zufällig auch Dein Bruder wäre. Ich finde an der Einsicht, daß wir nun einmal verschieden sind und wie verschieden wir sind, ist nichts auszusetzen. Der Fehler wäre, uns diese Tatsache zu verdecken, und so zu handeln als ob sie nicht bestünde. Und beklagen will ich mich dann ja auch garnicht. Und daß ich meinem Trübsinn darüber schriftlichen Ausdruck gebe ist Folge meiner Neigung zum Dichten. Ich denke, man sollte die Entzweiung welche sich in den letzten Monaten vollzogen hat nicht verleugnen. Du weißt ja, wie sich Mutti und Papa zeitlebens um Dich sorgten, wie furchtsam sie waren daß Du Dich von "anderen" Menschen ausbeuten ließest und demzufolge verarmen würdest; und ich besinne mich deutlich, wie Mutti, es muß ungefähr zehn Jahre vor ihrem Tode gewesen sein, im Zusammenhang einer der üblichen Klagereden über Dich, mich flehend ersuchte, "Margrit, ich weiß nicht was aus der mal werden wird, die verlaßt Ihr doch nicht."