am 12, Juni 1998 Liebe Margrit, Wenn immer ich mich hinsetze um eine meiner seltenen Briefe an Dich aufzusetzen, frage ich mich ob dies auf Englisch oder auf Deutsch geschehen sollte, in jener Sprache also die Dir jetzt mehr geläufig ist, oder in dieser, in welcher meine Gefühle einen sichereren Ausdruck finden. Gestern abend zeigte Margaret mir die beiden kleinen Bücher, die Lehrerinnegeschenke aus der Jugend die Du für mich hier ließest. Vielen Dank dafür. Ich habe mit Interesse in jedem von ihnen einige Zeit gelesen. Was mich neulich, als ich so unverschämt ärgerlich auf Dich wurde, - mein Ausbruch beschämt mich und tut mir leid, und ich möchte mich aufs neue dafür Entschuldigen, - so ungebührlich beunruhigte, war zweierlei: erstens Deine Annahme, dass Du wüßtest welche Bücher mich interessierten, und wichtiger, - wüßtest welche Bücher mich _nicht_ interessierten; und zweitens, dass Du bereit warst Bücher aus diesem Hause, weil sie Dir einst geschenkt waren, fortzugeben bereit warst an ich weiß nicht wen, von dem Du meintest, daß es "genau das Richtige" für sie wäre. Was nun die beiden kleinen Bücher anbelangt so interessiert mich, anfangs schon, ihre Verschiedenheit. Das eine, Dir vermutlich von Lilliana Bartolomäi vermachte, "Consecrated Leadership" von Amos John Traver trägt das Imprimatur der Kirche. Es ist Propaganda im ursprünglichen Sinne des Wortes: die Absicht auf die Fortpflanzung des Glaubens. Propaganda: das was fortgepflanzt sein soll. Besorgt um den Abfall der Jugend vom kirchlichen Glauben bedient sich Pastor Traver der abgedroschenen Schliche und Winkelzüge um zu versuchen sie einzufangen. Er ist aber und bleibt "organization man", und in diesem Sinne, weltlich, und seine Weltlichkeit ist der vorgegebenen Frömmigkeit eine undurchdringliche Mauer. Das andere Buch "Realities in the Christian Religion" von Walton Harlow Greever enthält die gefaselten Herzensergüsse eines alten Mannes. Es bedarf eines großen Künstlers seinen Gefühlen gehörigen Ausdruck zu geben, und wenn einer der nicht entsprechend begabt ist versucht seine Gefühle in Worte zu kleiden, so wirkt das pathetisch oder lächerlich; aber man sieht ein, und wird es bei Kierkegaard bestätigt finden, daß keine Kunst groß genug sein kann der tiefsten Leidenschaft gerecht zu werden. Ich bin mir bewusst, daß auch mein eigenes Schreiben in Hinsicht auf die Faselei sich vielleicht im Ausmaß, nicht aber in der Art, von Greever's Ergüssen unterscheiden lässt.