am 12. September 2018 Mein liebes gutes Kind, Sollte ich mich schämen? Es ist schon 20 nach elf, indem ich hier am Rechner in Hausschuhen sitze, mit noch ungemachtem Bett, weil ich das untere Laken von einem schmalen dunkelbraunen Streifen säubern muss. Das sollte mir, ohne Decken und Laken völlig abzuziehen, mittels eines feuchten Waschlappens möglich sein. Bin inmitten der Nacht nur einmal aufgewacht, um fünf Uhr. Dass ich mich auf den Inhalt meines seichten, milden und belanglosen Traum nicht mehr zu besinnen vermag, ist schließlich verständlich, denn manchmal scheint es, dass was ich erinnere, vornehmlich das unerwartet Schreckliche ist, weil es dem Gemüt eine Wunde schlägt die nur langsam heilt oder vernarbt. Der Grund mag sein, dass mein Leben, dass unser Leben so friedlich und freundlich, so gemächlich verläuft, dass Schrecken und Verzweiflung erinnerungswürdige Begebenheiten sind. Es könnte auch umgekehrt sein. Meine Gedanken beschäftigen sich heute Mittag mit meiner Familie, also vor allem mit Dir, und mit den Eigenschaften die uns binden und denen die uns trennen, einerseits die unleugbaren Verschiedenheiten die in Unlust und Widerwillen auftreten, andererseits aber die alles überwältigende unwiderstehlich Liebe die uns am Leben erhält. Dass es in einer Biographie selten oder niemals gelingt diesen Leidenschaften gerecht zu werden, ist der Herd meiner Kritik an solchen Büchern, und ins besondere an dem Buch von Reinhold Busch über die Rosenthalnachkommen, zu denen auch Du und ich gehören. Jetzt erst aber doch eine Pause. Ich beabsichtige zuerst das Bettlaken zu säubern, dass Bett zu machen, Schuh und Strümpfe anzuziehen, zu frühstücken, dann nach Home Depot um plastische Regale zu kaufen, in Bereitschaft diese am Sonnabend nach Nantucket mitzunehmen, falls Klemens meint die Kraft zu einer solchen Reise erübrigen zu können. Es regnet, mit der Voraussage noch stärkeren Regens später am Nachmittag. Deshalb hab ich meine Besorgung von Regalen aufgeschoben, vielleich sogar bis zum vorausgesagten sonnigen Freitag. Indem meine Gedanken kehren zu dem großen Thema der Vergesellschaftung zurückkehren, befürchte ich dass seine Verflochtenheit mich überwältigen wird und betrachte mich trotzdem - oder vielleicht sogar deshalb zu dem Versuch verpflichtet es mir zu erklären. Wo wäre der Anfang zu finden? Nicht, glaube ich in den Wundern der geheimnisvollen heiligen Liebe zwischen Dir und mir; denn was uns geschah war einmalig und außerordentlich in einer Weise die jede Verallgemeinerung verriegelt. Unmöglich die Vorstellung dass es (mir) jemals möglich wäre jenes Einmalige zu wiederholen, edin zweites Mal zu erleben, geschweige denn es einem zweiten Menschen oder gar einer Gruppe, einer Gesellschaft zuzumuten. Diese Einsicht befreit mich zu der Betrachtung dass wir Menschen der unerbittlichen Natur gemäß voneinander getrennt sind, und dass die unvermeidliche Folge von diesem Getrenntsein eine passive Entfremdung (Befremdung) ist, welche allzu leicht in tatkräftige Feindseligkeit umschlägt. Aus dieser Perspektive ist die christliche Behauptung von allgemeiner alles durchdringender und alles beherrschender Nächstenliebe ein frommer Traum. Die Gesellschaft fordert Zusammenarbeit. Deshalb muss die Getrenntheit überwunden werden. Ein formelles Zusammenwirken, die Mannschaft, die Weibschaft, die Gemeinschaft des Sports ergibt sich. Die Heldinnen der Frauenbewegung bitte ich um vielleicht überflüssige Entschuldiging von Weibschaft, Weiberschaft oder Frauenschaft zu schreiben! Diese Überlegungen führen meine Gedanken zurück zur Nazi-Ideologie als Monument politischer Gehörigkeit, erzwungener political correctness, und an diesem Punkt scheint sich mein Denken über dieses Thema in einem mir undurchdringlichen Durcheinander aufzulösen: denn wir vermögen zusammenzuwirken nur infolge eines Zwangs der undurchführbar ist und der grundsätzlich nicht annehmbar ist.