am 14. September 2018 Mein liebes Kind, Vielleicht ist der Grund weshalb ich mir heute den ganzen Tag schwach und müde vorkomme, dass ich Dir gestern nicht, und heute jedenfalls bis jetzt nicht geschrieben habe. Es ist 10 nach 7 Uhr abends. Die Bäume zwischen dem Fenster und School Street sind völlig dunkel, aber am Himmel verglüht noch ein schwaches gelbliches Licht. "In me thou seest the twilight of such day, as after sunset fadeth in the west, which by and by black night doeth take away, death's second self, that seals up all in rest." So etwa lauten auch meine Gefühle. Die Lebenskräfte verringern sich von Tag zu Tag, wie von Stunde zu Stunde die ebbenden Priele; wo jedoch diese Ebbe von keiner Flut gewendet werden wird. Das Gehen wird zunehmend schwieriger, nicht wegen der verkrüppelten Hüften welche zugegeben nicht geschmeidiger werden, sondern auf Grund wie mir scheint einer fortschreitenden Muskelschwäche, wofür so viel ich weiß die Neurologen keine Erklärung, nicht einmal einen Namen haben. Und dann die Schläfrigkeit die mir immer und immer wieder, morgens, mittags, nachmittags und abends die Besinnung vereitelt, auf dass ich nicht weiß was ich soeben schrieb und was sich fortsetzend schreiben wollte. Dabei ist ob ich weiteres schreibe oder nicht schreibe, belanglos; denn ich habe wahrhaftig genug geschrieben und weitere Ergüsse würden vielleicht das bisher Geschriebene nur verwässern oder verdecken. Da was ich geschrieben habe weder so noch verbesserts gelesen wird, macht's keinen Unterschied. Ich will die Tatsache, dass ich nur für mich selber schreibe anerkennen und mich mit ihr befriedigen. Am 15. September 2018 Nun ist ein weiterer Tag vergangen. Ich sitze mit Klemens auf einem neuen Turbinenschiff der Steamship Authority, Woods Hole genannt, das uns über Nantucket Sound trägt. In einer halben Stunde legen wir an. Dann läuft Klemens zur Autobus Haltestelle zu dem 8 Uhr Bus nach Madaket. Inzwischen warte ich auf ihm mit dem Gepäck das zu schwer und umfangreich ist in einer Taxe befördert zu werden. Er holt meinen alten grau-blauen Wagen, anno 2005 der jetzt neben unserem Hause steht. Wenn der Wagen anspringt, holt er mich etwa um neun Uhr ab. Wenn der Wagen nicht anspringt, ja, dann weiß ich nicht was werden wird. Am 17. September 2018. Zwei weitere Tage sind vergangen. Die Zahl der Stunden in denen ich an Dich gedacht habe, vermag ich nicht zu zählen, aber es waren sehr viele, denn Du die Du ein Teil meines Lebens und meiner selbst geworden, bist und bleibst mir unmittelbar gegenwärtig. An Dich zu denken, Deine Briefe an mich zu lesen, Deine Bilder anzuscheuen, Dir zu schreiben, an Dich zu beten, sind wesentliche, vielleicht die wesentlichsten Begebenheiten meiner Tage, an denen ich stets aufs neue mit Dir verbunden werde, und stets weitere Ursachen bekomme Dir zu danken. Der 2005 Dodge Minivan 37WK50 auf Nantucket, von dem ich erwähnte dass er nicht anspringen möchte, ist dennoch angesprungen, aber kaum mehr. Das Schiff "Woods Hole" kam pünktlich im Nantucket Hafen an. Klemens beeilte sich den 8 Uhr Autobus nach Madaket rechtzeitig zu erreichen, indessen ich mit dem schweren Gepäck das auf eine Sackharre geschnürt war, auf der Bank neben dem Fährenbüro im zunehmenden Dunkel der Nacht auf Klemens' Rückkehr wartete. Um viertel vor Neun klingelte mein Radiotelephon. Klemens berichtete das Steuer am alten Auto hätte versagt, es wäre überheizt, und er vermöchte nunmehr nicht es anzulassen. Ich war aufgestanden um Unterstützung zu besorgen, wurde sogleich von einem freundlichen Angestellten der Schiffahrtsgesellschaft angesprochen der sich bereit erklärte das sperrige Gepäck nebst meiner selbst mit seinem Auto zu unserem Hause in Madaket zu befördern. Wir hielten am alten Wagen an der Böschung von Cliff Road, wo Klemens auf wartete, und fuhren nun alle drei nach Madaket. Als wir angekommen, und die verschiedenen Gepäckstücke entladen waren, drückte ich unserem Wohltäter zehn zwanzig Dollarscheine in die Hand. Er kehrte seinen Wagen um und verschwand zwischen den dichten Eichenbüschen. Das alte Auto wurde noch am selben Tage abgeschleppt, und heute bekam Klemens telephonisch die Nachricht, dass eine Wiederherstellung unpraktisch wäre, und dass nichts als die Verschrottung übrig bleibt. Das Gleiche gilt auch für mich. Gute Nacht, auf dass iwr beide gut schlafen möchten.