==> bis jetzt nicht gesendet Bitte entschuldigen Sie mich und meinen Brief vom 11. Oktober. Heute Nachmittag bin ich mit beiden unzufrieden. Beim Überlesen befällt mich die Befürchtung von meinem Alter nun schließlich doch über die Vernunftgrenze gelockt worden zu sein, Diese Erwägung zieht die weitere Frage nach sich ob ich mich jemals anderswo als jenseits der Vernunftgrenze aufgehalten habe, ob ich mich, vielleicht jahrelang, mit der Annahme getäuscht habe, dass was ich jeweils schrieb, vernünftig war. Jedenfalls, heute Nachmittag, finde ich meine Aufzählung betreffs der Dialektik die ich Ihnen vor einigen Tagen zusandte weder zulänglich noch vollständig. Der Dialog, das zueinander Sprechen zweier Gemüter, welche der Dialektik zugrunde liegt, schafft einen geistigen Raum und bestimmt darin eine Grenze zwischen zwei sich im Grunde widersprechenden Stimmen die gegenseitig unvereinbare Thesen zum Ausdruck bringen. Wären die Thesen vereinbar, so wäre das vermeintliche Zwiegespräch nichts als verkappter Monolog. Ihrem Wesen gemäß ist die Dialektik ein Anspruch das im Grunde Unvereinbare zu vereinbaren, Dieser Anspruch eröffnet nun eine weitere Dialektik, betreffs des Vereinbarten und Unvereinbarten, und diese Dialektik ist höheren Ranges, wiederum eine Metadialektik. Auch der Widerstreit von Wahrheit und Unwahrheit ergibt die Frage ob die Synthesis welche Dialektik zwischen Wahrheit und Unwahrheit zu schaffen beansprucht als wahr oder als unwahr gelten sollte. Oder ob vielleicht die Gegensätze, Wahrheit und Unwahrheit sich in dem dialektischen Streit gegenseitig aufheben, vernichten, und ob es demgemäß der äußerste Beschluss der Dialektik sein sollte dass es weder Wahrheit noch Unwahrheit gibt, dass der sprachliche Versuch die Wahrheit zubestimmen eine Unmöglichkeit anstrebt und dass somit die Dialektik die diesen Versuch beansprucht nichts als Betrug sein möchte. In dem vorigen Briefe zählte ich aus dem Stegreif vier Bereiche der Dialektik auf. Die waren: Die epistemische Dialektik: Idealisierung und Entidealisierung. Die ontische Dialektik: Innen und Außen. Die psychische Dialektik: Subjektivität und Objektivität. Die ethische Dialektik: Gewissen der Seele und Zwang der Herde. Jetzt scheint mir die Unterscheidung zwischen dem was ich vorgestern als ontische und psychische Dialektik bezeichnete willkürlich, aber vielleicht nicht weniger willkürlich als andere sprachliche Bestimmungen. Zeigen die hinfälligen Unterscheidungen doch darauf hin, dass allem Sprachlichen ein Maß des Zufalls und der Willkür anhaftet. Um mich nicht von Worten verleiten zu lassen, muss ich es lernen die Willkür der Sprache in meinem Denken zu berücksichtigen. So viele Jahre sind vergangen seit ich mit den Schriften Aristoteles gerungen habe, dass es heute beschämend ist mich auf das Erinnerte zu verlassen. Trotzdem: Die Behauptung das Gute, das Erstrebenswerte, läge in einer Goldenen Mitte zwischen zwei äußersten Gegensätzen, deute ich als eine dialektische Bestimmung welche aus den beiden Gegensätzen wie die Synthese aus These und Antithese hervorgeht. Zugleich beeindruckt mich dass diese Ethik, was auch immer ihr Ursprung sein mag, sich an die Sprache klammert und an die Sprache gebunden ist. Es ist also ein gesetzmäßiges Handeln das Aristoteles vor- und verschreibt. Vielleicht muss es äußerlich sowohl als auch dem Erleben des Einzelnen unerreichbar bleiben. Der Zwang der Herde wird selbstverständlich auch durch das Gesetz vermittelt; in höherem Maße jedoch durch das Bedürfnis, durch den inneren Zwang sich anzupassen um mit seinem Betragen nicht von der Herde abzuweichen. Die ontische und die psychische Dialektik scheinen mir zusammen zu fallen, in der Theorie, denn meine Seele ist das einzig wahre Sein das mir zugänglich ist, aber auch in der sprachlichen Ausführung, denn das Objektive, wie ich es verstehe ist das Äußere, Gesellschaftliche, das Mitteilbare das sich von dem Inwendigen, dem Innerlichen, vom Innen, vom Unsicht- und Unsagbaren unterscheidet. Die überlieferte Sprache will es wahr haben dass das Subjektive, Individuelle, Einzelne, Inwendige primär und grundlegend ist, indessen das Objektive, das im voraus unbestimmare Hinzufallende, das Zufällige ist, wo das Subjektive, Grundlegende über das Zufällige erhaben ist. Sollten wir es wagen der Sprache zu vertrauen? Es mag sein, dass es eine erkennbare Wirklichkeit unhängig von der sprachlichen und mathematischen Symbolik gibt, aber ich wüsste nicht wie ich sie bestätigen oder mitteilen sollte. Mag sein, dass sie bei mir auf unbewusste Weise um Ausdruck kommt. Indem ich nun darüber nachdenke, wird es mir klar dass wenn ich mir den Finger verbrenne, der Schmerz vorerst eine außersprachliche Wirklichkeit bekundet. So auch wenn ich mir ein Bild anschaue, wenn ich Musik höre, sogar die Worte die ich höre ohne sie zu verstehen, wie etwa in einer fremden Sprache. Zugegeben, Mitteilbarkeit scheint unbedingt sprachabhängig. Ist es dann aber wieder nicht. Man bedenke das Dirigieren eines Orchesters, und das mannigfaltige außersprachliche Lernen. ÄÄÄÄ ÖÖÖÖÖ ÜÜÜÜÜ ßßßßßßßß ääääääää ööööööö üüüüüuü ******** ëëëëëëëë Viëtor Ä Ö Ü ß ä ö ü