NICHT ABGESANDT Dear Cristina, Mein Bewusstsein stolpert von Augenblick zu Augenblick, zumeist in scheinbar völliger Einsamkeit. In unterschiedlicher Nähe oder Ferne meine ich andere mir selber vergleichbare Menschen wahrzunehmen. Das ursprünglich stumme Bewusstsein wird durch die Sprache erweitert und befestigt. Die Sprache dient mich mit anderen Menschen zu verbinden. Außerdem bewirkt die Sprache ein gedankliches Kontinuum, eine weite und tiefe Bühne wo eine Welt von Begriffen und Vorstellungen erscheint. Diese in Worten verankerte Welt der Begriffe ist die Heimat in der ich mit anderen Menschen zusammen lebe. Ich muss annehmen und voraussetzen, dass in vergleichbarer Weise wie ich, Du in Deiner eigenen Welt lebst. Wenn Du und ich aus unseren Welten mit einander Gedanken und Briefe tauschen, dann überschneiden sich unsere Lebensbereiche. und zwischen unseren Anschauungen entsteht ein Vergleich. Die Tatsache dass ein jeder von uns sich im Zentrum einer eigenen geistigen Welt befindet, scheint mir so selbstverständlich dass ich mich schäme sie auch nur zu erwähnen. Tue ich es dennoch, so ist's um zu versichern, dass meine Ansichten die unvermeidlich von Deinen abweichen, Dich nicht betrüben oder schmerzen. Bitte entschuldige dies pendantische Vorwort. In meinem abschließenden Jahr in der Oberschule (high school) hatte ich besondere Freude und Erfolg beim Studium der Physik, zugegeben auf einfachster Stufe. Ich war begeistert von der scheinbaren Notwendigkeit mit denen die Gegebenheiten der Erfahrungswelt den einfachsten algebräischen Formeln zu gehorchen schienen, und wie es demgemäß dem Geist vorbehalten war die Welt der Gegenstände zu beherrschen. Das war der Anfang meines intellektuellen Lebens. Jahre würden vergehen, eh ich begriff, dass diese Übereinstimmungen von Geist und Natur nur scheinbar waren, Approximationen, vereinfachende Annäherungen, welche nicht so sehr die Natur bezeichneten wie den Geist der die Natur zu beherrschen wähnte. Heute Abend wo mein Denken und Leben ihrem Ende entgegeneilen, erscheinen mir diese vereinfachenden Annäherungen ein weiteres Mal als raffinierte Instrumente des Denkens, jetzt aber nicht um eine Pseudowirklichkeit der Natur vorzutäuschen, sondern als Offenbarung der Wirksamkeit des idealisierenden Geistes, bezogen nicht, wie in der Physik, auf die Verhältnisse lebloser objektiver Gegenstände zueinander, sondern bezogen auf die Verhältnisse welche uns lebende, beseelte, subjektive Menschen mit einander verbinden und von einander trennen. Diese Verhältnisse zwischen uns als Subjektivitäten habe ich bisher nie in ihrer Komplexität, in ihrer Unübersichtlichkeit und Verflochtenheit erkannt. Jetzt meine ich auch vereinfachende Darstellungen der Verhältnisse zwischen uns Menschen möchten vielleicht wie auf den Gebieten der elementaren Schulphysik wenngleich sie nicht zu Lösungen führen dennoch die Richtung zum Verstehen einer allgemeinen Problematik weisen. Es scheint mir eine universelle, doch verfehlte Voraussetzung, dass wir Menschen uns im Grunde mit einander vertragen, dass wir einander wohlgesinnt und liebevoll begegnen oder auch nur fähig wären dieses zu tun. Welch ein Traum! Der einzige schlüssige Vorsatz ist, dass wir Menschen einander wahrnehmen, mit einander verkehren, einander beeinflussen, aufeinander einwirken. Die unbedingte Liebe zwischen den Menschen, die Liebe des Gottes zum Menschen und die Liebe des Menschen zum Gott, diese spezifischen Postulate der christlichen Religion sind fromme Wünsche, leichter gesagt als getan, vielleicht unmöglich. Wechselweise verehren und verachten wir einander, sehnen uns nach Gemeinsamkeit und wollen unabhängig bleiben, sind leidenschaftlich auf einander bedacht, dann aber gleichgültig gegegen einander, geben dem Anderen alle Schuld und fühlen uns selber schuldig, hassen den Anderen und hassen uns selbst. Es ist die Angst vor dem Tod, vor dem Schmerz, vor der Verfolgung, vor der Verbannung, vor dem hilflosen Alleinsein, welche uns die Liebe als endgültige Tugend, als das äußerstes Lebensgut vorgaukelt. Aus diesem Umständen folgert Daher Nietzsches Rat: Werdet hart. Leichter gesagt als getan, denn ich weiß es ja längst aus eigener Erfahrung, "Die Liebe zwingt all uns nieder, das Leid beuget gewaltiger, und es kehret umsonst nicht unser (Lebens)bogen woher er kommt." Wer von uns vermöchte auch nur ein einziges Haar seines verflochtenen Daseins zu entknoten? Wir bedürfen eines Ariadnefadens uns den Weg aus dem Labyrinth der Verzweiflung zu weisen. Rilke bietet uns den seinen an: Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht, und die findigen Tiere merken es schon, daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern und das verzogene Treusein einer Gewohnheit, der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht. O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum uns am Angesicht zehrt –, wem bliebe sie nicht, die ersehnte, sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter? Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los. Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug. Meine Mutter war eine begeisterte Erzählerin, und eine Geschichte mit der es ihr Spaß machte mein schrulliges Wesen zu veranschaulichen wiederholte sie so oft, dass ich den Inhalt nie vergessen habe. Es war der Sommer 1931. Über die Gesundheit meines Großvaters Joe Meyer weiß ich nur dass er am 3. Oktober 1931 starb. Heute frage ich mich ob seine Frau Elfriede bei seinem Tode zugegen war. Bestimmt ist nur dass in jenem Sommer 1931, Elfriede, mit der er seit dem 12. September 1875, ihrem 20. Geburtstag, verheiratet war, ihn vielleicht nur vorübergehend verlassen hatte, um in Braunschweig ihre Enkelkinder zu betreuen, und meinen Eltern eine Autofahrt durch das Deutschland das sie so liebten zu ermöglichen. Sie fuhren nach Naumburg und Würzburg, ins Taubertal nach Creglingen und Rothenburg, nach Dinkelsbühl und Nürnberg, dann zurück über Speyer, Worms und Mainz durchs Rheintal nach Assmannshausen, und von dort zurück nach Braunschweig, wo meine Großmutter meine dreijährige Schwester und mich, damals ein Jahr alt, gepflegt hatte. Als meine Eltern zurückkehrten, fanden sie meine Großmutter am Rande der Verzweiflung, "Marga", so hieß meine Mutter, sagte Elfriede, "Ich bin ja so froh, dass ihr wieder da seit. Ich bin völlig erschöpft. Ich kann nicht mehr." "Ja was ist denn?" fragte meine Mutter. "Das Mädchen," erklärte Elfriede, "hat keine Schwierigkeiten gemacht, aber der Junge, der Junge," (nämlich ich), "der hat ununterbrochen geschrieen, Tag und Nacht hat er geschrieen. Ich konnte, ich kann es nicht mehr aushalten." Weder meine Mutter noch mein Vater hat jemals versucht diesen Vorfall anders als mit meiner üblichen Schnurrigkeit zu erklären. Ich hab, wie wir als Kinder in Braunschweig sagten, eine übermäßig lange Leitung, denn siebzig Jahre sollten vergehen, eh ich auf den Gedanken kam, dass wenn ein gesunder Säugling, der weder Schmerzen, noch Hunger, noch Kälte spürt, schreit und scheit und schreit, am wahrscheinlichsten ist, dass er schreit weil man ihn vernachlässigt. Er schreit nach seiner Mutter um in ihre Arme aufgenommen, geherzt und geküsst zu werden. Der frommen Jüdin aber war es scheinbar unmöglich ihrem unbeschnittenen Enkel diese mütterliche Liebe zu schenken. Den größten Teil meines Lebens hab ich im Schatten der Trennungsangst verbracht. Besinne mich noch heute wie ich im Kinderzimmer in unserer Wohnung, im zweiten Stock des Mietshauses, Schleinitzstraße 1, in Braunschweig, des Abends und des Nachts mit lautem Schreien "Ich bin hier so alleine!" meine Schwester weckte und meine Eltern störte und ärgerte. Erinnere mich wie fünf Jahre später im Sommer 1936, meine Eltern meine Schwester und mich in ein Kinderferienheim auf der westfriesischen Insel Juist schickten, wo ich die Kindermädchen zur Verzweiflung trieb, weil ich ununterbrochen nach meinen Eltern weinte. Im Sommer 1939 war ich als neun Jahre altes Pflegekind wiederum von Trennungsangst gequält. http://home.earthlink.net/~ernstmeyer/notes/Flanders.html Im Herbst 1942, vereitelte die Sehnsucht nach meinen Eltern den Versuch mich in Philadelphia in eighth grade (die achte Stufe) der Germantown Friends School einzuleben. Gelingen tat dies mir erst drei Jahre später in der obersten Klasse, wonach ich mein Abitur machte. Drei Wochen vor dem Abitur und meinem sechzehnten Geburtstag, erlebte ich meinen Tamino Augenblick, und erblickte zum ersten Mal die Frau die ich sechs Jahre später heiraten würde. Wenn ich heute den vorehelichen Briefwechsel zwischen uns lese, so meine ich die Angst vor der unvermeidlichen Fremdheit der Geliebten zu erkennen eine Angst welche mich sechs Jahre lang von der Ehe zurückhielt, eine Angst welche schließlich im Verlauf der 63 Jahre unserer glücklichen ugetrübten Ehe beschwichtigt wurde. Nach dem Tod meiner Frau in ihrem 91. und meine 85. Lebensjahre, entdeckte ich schließlich, dass meine Angst vor dem Alleinsein gänzlich verflogen war. Gesellschaft ist ein Zauberwort das mir zugleich Seligkeit verspricht und mich mit Zerstörung bedroht, der ich den größten Teil meines Lebens in Angst vor der Einsamkeit, vor der Verlassenheit (abandonment) verbracht habe, zugleich aber auch mit Furcht vor dem Zusammensein mit fremden Menschen. Meine Vorstellung von der Gesellschaft verwandelt sich mit meinen Gedanken und Gefühlen. Dass ich mich von vielem, wenn nicht fast allem Öffentlichen das geschieht distanzieren muss, scheint mir unausweichlich. Der Gesellschaft aber vermag ich nicht zu entkommen. Nicht nur bin ich in ihr gefangen. Sie ist in mir; sie ist ein Teil von mir. Ich befreie mich von der Gesellschaft durch mein Denken, dadurch dass ich mir eine eigene geistige Welt erschaffe, um in ihr zu leben, und um mich in ihrer Mitte, zu verstehen. Ich bin Arzt geworden, weil ich die Medizin als den Bereich betrachtete wo ich unmittelbar mit der Welt, mit der Gesellschaft, mit vielen Menschen, mich selber eingeschlossen bekannt würde. Und mir scheint in gewissem Maße hab ich mir die erwünschte Erfahrung, das ersehnte Erleben erworben. Je älter ich werde, je länger und ausführlicher ich mich mit den Voraussetzungen nicht nur der Medizin sondern auch der Natur und Geisteswissenschaften auseinandersetze, umso fragwürdiger werden die wissenschaftlichen Lehren, und umso mehr drängen sich meine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse, Ansichten und Voreingenommenheiten in den Vordergrund. Insofern es mir gelingt die körperliche und geistige Beschaffenheit der Menschen, ihre Gesundheit und Krankheit als Naturgeschehen zu begreifen, werde ich unabhängig, und entferne ich mich von den herkömmlichen Lehren. Statt die Gesellschaft als ganze abzulehnen und zu verurteilen, scheint es mir ersprießlicher mich den epistemologischen, ethischen und ästhetischen Unbestimmtheiten zuzuwenden wo mein Verständnis, mein Erleben, meine Erfahrung, mein Urteil und mein Vorurteil von den herkömmlichen Voraussetzungen, vom conventional wisdom abweichen. Du schreibst: "Nun, da du meinst, dass das Niederschreiben von Gedanken hilft sich besser zu fühlen, wahrscheinlich deshalb weil durch das aktive Formulieren die Gedanken und Gefühle so zum Ausdruck kommen, mach ich doch einfach weiter damit und kritisiere die Gesellschaft wie ich es schon seit meiner Schulzeit so gerne tue. Und da du auch gesellschaftskritisch bist kannst du mich ja des Besseren belehren." Unsere Gesellschaft hat Angst vor Schmerzen, denn Schmerzen bringen oftmals den Tod herbei und die Menschen kennen den Tod nicht und haben deshalb Angst vor ihm. Die Gesellschaft versucht alles Leid zu beseitigen, nicht unbedingt zu heilen, aber zu beseitigen. Hauptsächlich geschieht dies durch die Verwendung von Geld für einen gewissen Standard von Lebensqualität beziehungsweise Luxus, der Herstellung von Medikamenten, aber ist auch in politischen Entscheidungen sichtbar wie bei Staatsgrenzenschließungen und der Abweisung von Flüchtlingen, da diese ja leidende Menschen sind, die Leid in unsere Gesellschaft bringen würden. Das Problem hierbei ist nur, dass wenn es im Idealfall kein Leid mehr gäbe es auch keinen Grund zum Mitleid mehr geben wird. Und wie ich von dir lernte ist Mitleid eine Form der Liebe wobei wir aber eigentlich keine andere Form der wahren Liebe kennen als Mitleid. Demnach ist eine Gesellschaft ohne Leid auch eine Gesellschaft ohne Liebe. Um dieses Problem zu beheben entwickelt der menschliche Körper und Geist, dem Leid und Liebe fehlen, die Depression. Die Depression ist ein unwahres Leid, sie ist eine Lüge. Sie hat keine Ursachen, keinen Erreger wie andere Krankheiten, und ist dadurch unverständlich, deshalb ist sie schwer durch Mitleid geheilt zu werden, weil es schwer ist Mitleid zu empfinden. Liebe Cristina, Deine Ausführungen verlangen wenn nur wegen Deiner Leidenschaftlichkeit sehr ernst genommen zu werden. Sie sind ein untrüglicher Hinweis auf den Menschen der Du bist. They speak well of you. Dabei wird es Dich nicht verwundern, dass ich die Problematik die Dich beschäftigt, obgleich ich meine was Du sagst zu verstehen, und obgleich es mir gültig erscheint, dennoch aus etwas anderer Perspektive, in einem anderen Lichte sehe. Ich habe den Quellen der Worte society, societas, socius nachgestöbert. Die vielen Seiten welche Grimms Wörterbuch dem Ausdruck "Gesellschaft" widmet Vor einer Woche schrieb ich Dir von meiner Vorstellung Dir bei der Einsamkeit Deines Künstlertums "ein bisschen Gesellschaft zu leisten". Dabei beeindruckt mich die vielfältige Bedeutung des Ausdrucks Gesellschaft die ich so nötig habe, und die ich dennoch befürchte weil sie meine Einsamkeit, mein Selbstsein, mein Ich zu zerstören droht. Indem ich mich meinem träumerischen Schreiben überlasse, fällt mir die erste von Rilkes Duineser Elegieen ein: Die erste Elegie Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich. Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht, und die findigen Tiere merken es schon, daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind in der gedeuteten Welt. Es bleibt uns vielleicht irgend ein Baum an dem Abhang, daß wir ihn täglich wiedersähen; es bleibt uns die Straße von gestern und das verzogene Treusein einer Gewohnheit, der es bei uns gefiel, und so blieb sie und ging nicht. O und die Nacht, die Nacht, wenn der Wind voller Weltraum uns am Angesicht zehrt –, wem bliebe sie nicht, die ersehnte, sanft enttäuschende, welche dem einzelnen Herzen mühsam bevorsteht. Ist sie den Liebenden leichter? Ach, sie verdecken sich nur mit einander ihr Los. Weißt du's noch nicht? Wirf aus den Armen die Leere zu den Räumen hinzu, die wir atmen; vielleicht daß die Vögel die erweiterte Luft fühlen mit innigerm Flug. Auch mein Literaturverständnis hat eine lange Leitung, denn erst heute wird es mir klar dass die bedrohliche himmlische Engelsschar das Spiegelbild der menschlichen Gesellschaft ist. Ans Herz genommen wird der Dichter von einer Frauengestalt vor derem stärkeren Dasein er vergeht. Bezüglich der Beziehung zur eigenen Mutter, dies Gedicht von Rilke: Arme Heilige aus Holz kam meine Mutter beschenken; und sie staunten stumm und stolz hinter den harten Bänken. Haben ihrem heißen Mühn sicher den Dank vergessen, kannten nur das Kerzenglühn ihrer kalten Messen. Aber meine Mutter kam ihnen Blumen geben. Meine Mutter die Blumen nahm alle aus meinem Leben. Rainer Maria Rilke, 17.11.1897, Berlin-Wilmersdorf Ich bin hier so alleine Die Furcht allein zu sein hab ich erfahren mein Leben lang da wir zusammen waren. Und nun als mit der großen Todeswende die zauberhafte Liebe ging zu Ende, erblüht die Fähigkeit allein zu leben, Sterbensgeschenk, du hast es mir gegeben. Durch deinen Tod ist meine Angst vertrieben; Dein Geist ist rettend mir zum Trost geblieben. Du bist mein Schutz und du beschirmest mich Ich danke dir, ich lieb und segne dich. Im Tode bist du worden mein Behüter. Nun ist dein Bild das heiligste der Güter. Dich anzuschaun kann ich nicht unterlassen. Ach könnt ich dich in meine Arme fassen. Vom Turm gerettet Eh ich Dich traf hat ich bei mir gedacht allein ein einsam Leben mir zu bauen. Von einem Feuerturm1 würd ich die Nacht, die mondbeschien'nen Täler überschauen. Säh tags vielleicht als einz'ges Lebewesen den gier'gen Habicht hoch am Himmel kreisen. Sonst im Gebüsch ein Rotfuchs wärs gewesen, möcht vom Kaninchen auf dem Rasen speisen. Dann sah ich Dich die steile Treppe wagen zum Turm wo ich mich eingesperrt. Es tragen ersehnte Erdenengel keine Flügel, sind ausgerüstet mit der Liebe Siegel. Du führst mich liebevoll hinab zur Erde, dass ich an Deiner Brust nun selig werde. Trennungsangst Bedacht die Schönheit Deutschlands zu genießen würden die Eltern sich zur Fahrt entschließen. Zu jung sich auf das Wiedersehn zu freuen, die Kinder wird fromm Großmama betreuen. Die Eltern waren unerwartet fort. Das Mädchen trauerte nur kurze Zeit. Der unbeschnittne Knab' verstand kein Wort, Fängt an zu weinen, schreit und weint und schreit. In Naumburg steht Johannes, Bild der Trauer; Marie in Creglingen zum Himmel steigt; am Blutaltar in heil'ger Jakobsmauer gibt's Brot und Wein. Der Kleine schreit und schreit. Großmama sagt: War zu erschöpft den Bengel ans Herz zu drücken. Die Kleine war ein Engel. * * * * * * Unbeschnitten und Verlassen Unter des Sommers blauem Himmelszelt an meines ersten Lebensjahres Ende auf dieser fremden, Angst durchtränkten Welt erfuhr mein junges Leben eine Wende. Da fielen Schatten aufs Ganze meines Lebens die mein Gemüt ewig verängstigt ließen. Es war weil meine Eltern mich verließen. Sie kehrten wieder, doch zu spät, vergebens. Die Schwiegermutter kam in aller Frühe um sich der beiden Kinder anzunehmen. Das kleine Mädchen macht ihr keine Mühe des Knaben Schreien wusst sie nicht zu zähmen. Denn ihrer Frömmigkeit war's nicht gegeben Das Unbeschnittne an ihre Brust zu heben. * * * * * * Wer möcht es sein? Was ich zuerst erkannte war mein Ich, war einsam, traurig, da erblickt ich Dich. Wie glücklich nunmehr nicht allein zu sein und in Gemeinsamkeit mit Dir gedeihn. Ich frage mich, wer möchte es denn sein der mir die Tage liebenswürdig macht. Ich denke viel, hab nachts beim Mondenschein dies Rätsel träumend, sinnend überdacht. Und komme nun zu doppeltem Beschluss. Natur verlangt es dass ich lieben muss in Deiner lieblichen Gestalt ein Weib Wie Dich mit frommer Seel und holdem Leib. Die Liebe hat mich fest an Dich gebunden. In Dir hab ich die Seligkeit gefunden. * * * * * * Einsamkeit Ich will’s gestehn es ist die Angst, ich meine die Furcht ums eigne Leben mich bewegt mir ein Zuhaus zu bauen das mich hegt. Und Ideale sind die schweren Steine mit denen ich den Weg aus Furchtsamkeit durchs Leben lege in die Einsamkeit, um freudig dort den Tod willkommen heißen statt albernen Versuchs ihm auszureißen. Nicht nur der Einzelne muss sterben lernen, Auch die Gesellschaft blüht nur kurze Zeit. Unsterblich Licht glänzt in den Sternen. Das Menschliche kennt keine Ewigkeit. Der tapfre Geist der diese Worte sagt Verachtung, Elend und Verbannung wagt. * * * * * *