Subject: Schon Mitte Mai! From: "Bernd Strangfeld" Date: 05/15/2019 03:33 PM To: Ernstmeyer Lieber  Jochen,   keine Post von Dir, da werde ich noch etwas plaudern, bis wir übermorgen nach St.-Pierre aufbrechen. Oh nein, nicht so lange! Also, es ist ein optisch wunderbarer Abend, den ganzen Tag hatten wir strahlende Sonne,  selbst jetzt noch, ein Dompfaff sucht nach Haferflocken oder Sonnenblumenkernen auf der Terrasse und schaut sich nach seinem Weibchen um. Eine imposante Ringeltaube  wandelt durchs Gras und guckt, ob die Kleineren etwas vom Futterspender haben runterfallen lassen. Eine Amsel singt mal wieder ganz unermüdlich und konkurrenzlos.Sie hat gerade ein neues Motiv erfunden.  Da verzeiht man doch diesen Tierchen ihr zänkisches Wesen.Unsere Englandreise war anstrengend, die Begegnungen intensiv und innig. Wir haben bei der Witwe unseres uralten Freundes Bill  viel und gründich im Garten gearbeitet - eigentlich ist er für sie viel zu groß, gar nicht zu bewältigen, und dazu hat sie sich vor einem halben Jahr auch noch zwei Shetland-Ponies zugelegt, sich einen Kindertraum damit erfüllt, aber die Folgen nicht richtig eingeschätzt. Nun ist ihr alles zuviel, am liebsten würde sie die Tiere wieder  loswerden, aber das scheint sehr schwierig         zu sein. Auch die entzückende Cairn-Terrierhündin  Maisie muss immer versorgt sein, also kann Sue nicht einfach  drauflos fahren und zum Beispiel ihren Sohn in Exeter besuchen, ohne      dass Maisie gut untergebracht ist. Naja, Du kannst Dir das wohl vorstellen. Aber sie  wohnen in einem Dorf mit gutem sozialen Leben,  für das meiste findet sich irgendwann eine Lösung. Unsere schottischen Freunde sind in schlechter gesundheitlicher  Verfassung. Trotzdem hatten wir , wenn auch nur für   kurze Zeit, gute Gspräche und sind froh, dass wir die beträchtliche Reise unternommen haben. Linksverkehr, unendlich viele Roundabouts, Baustellen, schlechte beschilderung (bei Baustellen) - trotz allem haben wi auch noch etliche Bücher gekauft, denn zum Glück gibt es in Penrith am Lake District,  wo wir traditionellerweise eine Pause einlegen, einen neuen Buchladen, "The Hedgehog Bookshop", nach dem der hochgeschätzte Bluebell bookshop zugemacht hat, zum Bedauern all derer, die wir danach f ragten. Auf allen Weiden unendlich viele Mutterschafe mit Lämmern, herzergreifend, diese kleinen Hopser.   Gestern abend eine interessante Lesung im Nachbarort, ein bekannter Journalist (Fritz Pleitgen) und ein russischer   Schrifststeller, er in der Schweiz lebt, über das Verhältnis des Westens zu Russland. Pleitgen versuchte den tiefen Pessimusmus des anderen etwas zu beschwichtigen oder zu entkräften. "Frieden oder Krieg" hatten sie ihr zu gleichen Teilen gemeinsam    verfassstes Buch genannt. Da sitzt man nun und macht sich Sorgen und leidet ein wenig mit den Russen, mit denen man nicht tauschen möchte, milde ausgedrückt. Unser so heißgeliebtes England befremdet uns doch immer noch mehr, was ist bloß mit den Menschen passiert. Viele haben wohl nie über den Tellerrand geblickt, aber das fiel nicht so auf.  Im Wohnzimmer liegt eine bunte Mischung von Gegenständen verstreut, das heißt, schon ein bisschen geordnet, sortiert, aber etliche Kartons warten noch auf Füllung. Das Einpacken wird erfreulich, gesetzt den Fall, wir kriegen alles ins Auto. Vier Freunde aus Weimar fahren mit, in ihrem eigenen, kleineren Auto, weshalb keine Betten mehr hinein passen und wir deshalb Oberbetten, Kopfkissen, Laken für uns beide  und für die anderen Vier in unser Auto stopfen werden. Bernd ist da ganz unerschrocken, er ist ein wahrer Pack-Künstler. Jetzt sitzt er an der Steuererklärung und ist wild entschlossen, die morgen fertigzubekommen Die Amseln singen immer noch, der Himmel ist noch hell, die Nächte allerdings sind kalt bis frostig. Trotzdem wächst und blüht es im Garten. Wir lassen ihn etwas wehmütig zurück, aber in St.-Pierre wird uns ein Blütenteppich begrüßen , wir kennen und lieben das aus so vielen vergangenen Jahren. Hoffentlich hast Du Freude am Frühling und kannst mit Deinen unwilligen Knien in Frieden leben! Gute, freundliche Gedanken wünschen wir Dir und grüßen Dich herzlich, Deine Gertraud und Bernd.   P.S. Bernd hat sich bein Jäten in England eine nervenwurzelreizung an der S chulter zugezogen, das ist sehr schmerzhaft und widersteht allen energischen Versuchen seines Orthopäden und seines Physiotherapeuten. So ein Nerv nimmt wohl lange übel. Drück ihm mal die D aumen!