Ode Bachfest in Bethlehem 1946 Seitdem sie starb sind sieben Wochen hin. Mit jedem Tag wächst der Erinnerung Klage. Mein Denken wacht an ihrem Grabe Gibt altem Glücke neuen Sinn. Ein Schatz von Bildern steht mir zur Verfügung, Unschuldge Kindheit, jugendliche Scham, Das Elternhaus, die Straßenbiegung Wo sie mir zu Gesichte kam. Vom hohen Turme die Posaunen klingen Im Mittelschiff erschallt der Jubel der Musik. Ich fühl sie neben mir und höre Singen das durch ein langes Leben nicht versiegt. “Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage rühmet was heute der Höchste getan, Lasset das Zagen, verbannet die Klage, Stimmet mit Jauchzen und Fröhlichkeit an.” Ich träumte von ihr neunundsechzig Jahre, hab nie das Ende meines Glücks bedacht. Der Traum ist aus, ich bin erwacht, knie träumend nun an ihrer Bahre. * * * * * * 1Künftige Gattin (Parodie) Lange lieb' ich Dich schon, möchte Dich, mir zum Trost, Liebling nennen, und Dir schenken ein kunstlos Lied, Du, der Amerikamädchen Seelenschönste, so viel ich sah. Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt, Schwingt sich über's Gedränge das Dich von mir trennt, Leicht und kräftig die Sehnsucht, Die Dich unter den Ulmen entdeckte. Wie von Göttern gesandt, fesselt' die Liebe einst Auf den Rasen mich an, da ich vorüber ging, Und herein in den Alltag Mir die beglückende Zukunft schien, Und mein Denken an Dich fort in die Bläue zog, Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön, Liebend unterzugehen, In die Fluten der Zeit sich wirft. Variante: 6. Schwingt sich über den Strom der Dich von mir trennt, 6. Schwingt sich über die Menge die Dich von mir trennt, 6. Schwingt sich über das Volk das uns beide trennt, 8. Wie sie Dich unter Ulmen entdeckte. 2Hoffnungen hattest du mir, hattest mir Flüchtigem Selige Liebe geschenkt, und die Gedanken sahn All' Dir nach, und es bebte Im Augengedächtnis Dein lieblich Bild. Aber schwer in die Seel' hing der gigantische, Schicksalsträchtige Raub nieder bis auf den Grund, Von den Wettern zerrissen; Doch die ewige Liebe goß Ihr versöhnendes Licht über die heilende Wunde, und umher grünte lebendige Freude; labende Lieder Rauschten über das Leiden herab. Blumen blühen umher, hier wo im heitern Tal Auf des Lebens Grund, am Ufer des Zeitenstroms, Deine Tage gedeihen Und in duftenden Gärten vergehn. * * * * * * 3Ankunft In jenes wüste Tal entflohen wir mördrischer Wut teutonischer Barbaren. Wir suchten Seelenwundenpflegen die sonstwo nicht zu haben waren. Die Fahrt war lang, sie dauerte zwei Tage, Im Zug bewegte mich die stumme Frage wohin das Schicksal uns entführt, warum die Rettung uns gebührt. Am Bahnhof nahm Herr Kirsch uns in Empfang, mit deutschen Vorfahr'n deren Muttersprache ihm kaum bekannt, war fast verloren. Ein Echo nur in unsren Ohren. Verloren er wie wir. Im kleinen Auto gequetscht wie in der Dose die Sardinen, gestoßen und geschaukelt, ging die Fahrt auf engen Serpentinen, Verteilte Bergesketten auf und nieder zum Bauernhaus im düstren Schönholzwald, wo Pfarrer Ott auf uns gewartet. Stieg ein, noch enger das Gedränge. Variante: 4. die in der Großstadt nicht zu haben. 7. das Schicksal uns entführt, warum die Rettung grade uns gebührt. 4Saßen einander praktisch auf den Knien. Fuhren zur Mädchenschule, wo bedacht die Unterkunft für diese Nacht. Ein Nonnenhaus von frommen Prüden überwacht. Niemals zuvor, niemals danach hab ich so vielen Mädchen nah gewacht. und habe oft in später Nacht darüber träumend nachgedacht. Am Morgen bracht man uns ins eigne Haus. War weder groß noch war es elegant. Die Fenster sahen schmutzig aus. Die alte Kohlenheizung qualmt. Der Möbelwagen kam, man packt ihn aus, geschundnes Zubehör des einstgen Lebens. Der Heimat Haus malt es das Bild. Erinnrung zwar, doch Trost vergebens. Varianten: 1. Saßen einander praktisch auf den Schoßen. Die Fahrt ging weiter an die Mädchenschule, 5Durcheinander Ganz langsam hat mein Sterben angefangen Unmöglich heut das Jahr, den Monat gar im Rückblick zu bestimmen. So leise hub es an. Unsicher schon als ich den Hörer hob zum Buchen des Termins. Wer war es doch der anrief. Name mir bekannt. Warum kann ich mich nicht besinnen? Und wer bin ich? Sag mir, wie heiße ich? Das kann nicht sein, du sagst ich bin nicht ich? Das ist die andre Frau. Von der hab ich gehört. Mein Denken ist ja völlig durcheinander. Ich weiß nichts als zu bitten: Rette mich. Lass uns nach unserm Hause gehn Doch wo es ist, ich weiß es nicht. Erinnere mich doch bitte an das Heute. den Tag der Woche und die Tageszahl. Und welcher Monat, welches Jahr, Erinnere mich eh ich verzweifle. 6Ich weiß nicht was dies ist, ich will nach Haus. Wo sind wir eigentlich? In Belmont nicht. Und wer bist du? Ich kenne Dich. Doch wie du heißt erinnr' ich nicht. Auf deinen Namen komm ich wirklich nicht. Verheiratet sagst du, mit dir? unmöglich. Du meinst ich hätte dich gewählt? Ich hab sie alle durchgezählt. Mein Denken ist ja völlig durcheinander. Ich weiß nichts als zu bitten: Rette mich Lass uns nach unserm Hause gehn Doch wo es ist, ich weiß es nicht. Ganz langsam hat mein Sterben angefangen Unmöglich heut das Jahr, den Monat gar im Rückblick zu bestimmen. Was heute ist? Ich weiß es nicht.. * * * * * * 7Dein Sterben Ganz langsam hat Dein Sterben angefangen Unmöglich heut das Jahr, den Monat gar im Rückblick zu bestimmen. So leise hub es an. Ein Fehler anzunehmen dass der Tod Plötzlich als Blitz, als Donnerhall das Leben löscht. Auch das kommt vor, Beim Schlag, beim Herzanfall. Eher häufig ist dahingezognes Sterben das erst im Wachstum sich erkenntlich macht, Mit oftmals unscheinbaren Scherben und unvorhersehbarem Gang. Unsicher warst als Du den Hörer hoch zum Buchen hobst. Termin. Wer war es doch der anrief. Den Namen sollt ich kennen. und trotzdem kann ich ihn nicht nennen. Erinnere mich doch bitte an das Heute. den Tag der Woche und die Tageszahl. Und diesen Monat mir bedeute, Erinnere mich, ich frage noch einmal. Ich weiß nicht wo wir sind, ich will nach Haus. Wo sind wir eigentlich? In Belmont nicht. Und wer bist du? Ich kenne Dich Doch wie du heißt erinnr' ich nicht. 8Auf deinen Namen komm ich wirklich nicht. Du sagst verheitatet? mit dir? unmöglich. Du meinst ich hätte dich gewählt? Ich hab sie alle durchgezählt. Mein Denken ist ja völlig durcheinander. Ich weiß nichts als zu bitten: Rette mich Lass uns nach unserm Hause gehn Nicht hier, woanders, meine ich. Monatelang gings so dahin. Von Tag zu Tag kein Unterschied bemerkbar war. Verändrung plötzlich unverkennbar Nur selten besser. Meist bergab. Ich fragt wie lange möchts so weitergehn? Betete nur dass mirs gegeben sei Dir bis ans Ende beizustehn Und nimmer von Dir fortzugehn. Dies Beten ward erfüllt. * * * * * * 9South Station I Wiedersehen Zum prächtgen imposanten Steinenbogen der Menschenströme ausspeit und verschlingt war ich am Feiertage hingezogen der mir die allerliebste Freundin bringt. Im großen Bahnhof wart ich auf Dich heute. Ein Strom von Menschen kommt, ein andrer geht, jedem der unbekannten Leute die Fremdheit im Gesichte steht. Keiner der Menschen hier weiß von dem Andern. Ein jeder sucht nur sich im großen Saal, Will zu dem eignen Ziele wandern. Ich aber bin im Traumestal wo mich geheimnisvoll dein Bildnis findet. Ich denk an Dich und frag mich wer Du bist, und was es ist das uns verbindet. Ich tret vom Fuß der müde ist zum andern und blick auf unbekannte Viele die aneinander hier vorübereilen gedankenlos an wirre Ziele die's nicht erlauben zu verweilen. 10Vielleicht die fernen Ziel dahin sie gehn auf raschem Weg sind nur vermeintlich wirklich, enttäuschen weil sie nicht bestehn. Vergebens war'n sie zuversichtlich. Fehlend Dein Bild auch ich wär, ohne Aussicht und Erwartung dass Du kämst, verloren. Und deine Stimm' ist meine Zuversicht, ist süßer Trost in meinen Ohren. In diesen Blasenspurn verirrter Seelen besinn ich mich auf Dich und denke Dein Hier muss ich stehn. Ich darf nicht fehlen. Bei Dir muss mein Zuhause sein. Ich weiß nur allzu gut, bin zuversichtlich, Gewissheit dass Du endlich hier erscheinst bestätigt meinen Weg als richtig und rettet mich jetzt und dereinst. Gekommen ist die Zeit Geduld zu lernen. Das Warten ist das feste Band an Dich, das wenn du nicht mehr bist, mich leben lehren wird und sterben. Die Sehnsucht als die tiefste Lebensfrage hält der Enttäuschung Tapferkeit die Waage. Uns allen kommt am End der Tod erlöst uns von der Liebe Not. 11Ich sehne dringend mich nach Dir und Du sehnst dringend Dich nach mir. Wär's Bindendes das uns vereint? Wär's Gegensatz der uns entzweit? Ist es ein Ziel wonach wir beide streben, sind's zwei Ziel nicht einander passend? Ist Gott auf den wir uns verlassen ein Traum den wir zu zweit erleben? Sehnsüchtge Liebesleidenschaft vergisst, auch unser Weg ein unbestimmter ist mit einem Ziel das wir nicht kennen und mit dem Worte "Gott" benennen. Indem ich auf Dich warte ist's gegeben, dies Warten ist das eigentliche Leben. Einst wird in trüben Wartestunden der Diamant der Lieb gefunden. Monströse Züge fahren ein und halten, zwingen was lebt aus ihrem Weg zu gehn. Bedrohn mit ungezügelten Gewalten. Kein Mensch kann ihnen widerstehn. Mächtige Technik der wir zu unserem Glück und Wohlstand uns bedienen, die andererseits bedroht uns herzlos zu zerstören. Unmöglich ist's sie zu entbehren. 12Unmöglich aber auch sie zu umarmen, ist unsren Wesen fremd geworden. Unmöglich ihr sich zu erbarmen. Beständig droht uns zu ermorden. Und überall erblicke ich Beamte beauftragt Ruh und Frieden zu bewahren, dass nicht Verstiegenheit der Gäste die Züg verhindert abzufahren. Der Ordnung halber unterwerf ich mich der Pflicht. Nichts ist zu mühvoll, nichts zu schwierig. Dich zu empfangen bin begierig, Komm, bitte komm, enttäusch mich nicht. Ich bin verloren in Gedanken und in Träumen. Philosophie, Geblüt des Himmelsgartens. Bedacht mich selbst nicht zu versäumen, Bedenk Kritik des reinen Wartens. Variante:: 1 Unmöglich aber auch sie zu umarmen, in unsere Wesen einbeschließen. Unmöglich ihr sich zu erbarmen. Beständig droht uns zu erschießen. 13Oder vielleicht wartend zu lang vergebens, beschäftigt mich Kritik des reinen Sehnens. Ich werde plötzlich aufgerüttelt, werde umarmt, werde geschüttelt, werde geküsst. Was hab ich angericht? Ich frage Dich und höre Deinen Sinn, Ist etwas los mit dir? Du bist nicht glücklich dass ich gekommen bin? * * * * * * De Consolatio Philosophiae Unter den Bäumen hör ich die Gesänge vor der Kapellentür wodurch die Menge in jene schicksalsträchtgen Hallen strömt aus denen ewige Musik ertönt. Ich sehe Dich, erhabenes Gesicht, und frage mich: Ist's mir erlaubt zu nehmen Deine Hand? Der Bräutigam darf nicht die Eh' mit Ungestüm vorausersehnen. Nun ist's dem Witwer ebenfalls verboten zu fassen was das Sterben ihm entzogen. Damals am Bahnhof suchte ich nur Dich, Die andern nicht. Gehst heute ohne mich. Variante: 1. Unter den hohen Bäumen mach ich Pause 14Muss Dir's erlauben. Geh hin in Frieden. Gott schütze Dich in Todes Tal. Wie gerne käm ich mit, hab keine Wahl. Dich zu begleiten ist mir nicht beschieden. Du musst, du gehst allein und ohne mich den Weg der in das andre Dasein führt, auf dem so gerne ich begleitet Dich. Ich bleibe draußen wie es sich gebührt. Ich bleibe hier als ob du wiederkämst. Nichts übrig bleibt als mich mit mir zu trösten, mit dem Verstehen das der Geist gebiert. Nun bist Du fort, vergebens warte ich auf Dich die nie und nimmer wiederkehrt. Zwecks Überlebens verwandle ich ohnmächtges Sehnen in Schmerz betäubendes Gedicht. Mit Deinem Abschied fällt dahin der Schirm der vor dem Weltenraume mich geschützt. Nun ist die Tätigkeit mir aufgegeben ihn zu ersetzen mit des Geistes Wortgeweben. Edle Beschäftigung, nicht unbekannt, Consolatione Philosophiae ist dieses Tun von Alters her genannt. * * * * * * 15