Liebe Gertraud, lieber Bernd, Dank für Eure zwei heutigen Briefe, deren Letzteren ich, der Übersichtlichkeit halber, an dieser Stelle erst einmal wiedergebe: From: Bernd Strangfeld To: Ernst Meyer Subject: Aw: Fwd: Mail delivery failed: returning message to sender Date: Sat, 25 Jan 2020 19:32:28 +0100 (01/25/2020 01:32:28 PM) Lieber Jochen, da ist etwas schiefgelaufen, wir haben die Anlage nicht bekommen. Das war außerdem Dein letzter brief, vom 5.1. und nicht vom 24.12., darauf war ich in meinem eben geschriebenen brief gar nicht eingegangen. Hast Du Kronos-gedichte schicken wollen? V ielleicht erklärst Du das mal. Danke! grtraud. Gertraud bittet: "Vielleicht erklärst Du das mal." Ich will's versuchen. Mein letzter Brief, am 24.12.2019 geschrieben und am 5.1.2020 abgesandt, wurde von Euerm Internetdienstanbieter, WEB.DE, mit folgender Erklärung abgelehnt und unterschlagen "WEB.DE Postmaster Email policy" To protect users and the WEB.DE systems, WEB.DE reserves the right to temporarily or permanently refuse to accept emails if at least one of the following conditions is not fulfilled: ..... The receipt of emails with malicious, immoral, or illegal content will be refused. This applies in particular to emails infected by viruses or trojans, or mails that refer to virus or trojan infected sites. Emails with seditious content, or that provoke illegal acts, or glorify violence, or emails that refer to sites that do this will be rejected instead of Emails with seditious content, or that provoke illegal acts, or glorify violence, or emails that refer to sites that do this. Hier ist das Corpus delicti mit vermeintlich "malicious, immoral, or illegal content", abgesandt am 4. oder 5. Januar 2020: Liebe Gertraud, lieber Bernd, Dank für Euern Heiligabendbrief den ich umgehend beantworte, um, so weit wie möglich, auch dieses Antwortsschreiben mit einem Abglanz eines Weihnachtsschmelzes zu zieren. Denn anderweitig mangelt es in meiner Umwelt und in mir an Weihnachtszauber. Ich schreibe ohne diesen Mangel zu bedauern Mag sein dass ich mich betrüge ihn als Vorteil, wenn nicht sogar als Gnade zu erkennen, statt ihn als ein im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben Verlorengegangensein zu beklagen. Heute meine ich zu erinnern schon als Kind zu dem Beschluss gekommen zu sein, dass ich den anderen 364 Tages des Jahres ein Unrecht täte, diesen einen, den Weihnachtstag mit großem Feiern zu bevorzugen. Entweder gebührte es jedem Tage als Weihnachten zu gelten, oder keinem. Das ist eine Erinnerung der ich entnehme, dass von jeher mit meinem Gemüt nicht alles in Ordnung war, dass ich vielleicht nicht nur neuerdings, sondern schon in der Kindheit, dem Wahnsinn verfallen war. Ich besinne mich, wie beeindruckt ich 22 jähriger Medizinstudent war, als man uns belehrte die Feststellung des Wahnsinns beruhe auf dem Urteil nicht, dass des Patienten Denken unbedingt falsch sei, sondern dass, aus welchen Gründen auch immer, seine Gedankenfolgen der Gesellschaft nicht annehmbar wären. Besessen wie ich nun einmal bin, mit der Suche nach Vergangenheit, mit der Suche nach Gegenwart, und mit der Suche nach Wirklich- oder Unwirklichkeit der Zeit im Allgemeinen und im Besonderen, ist es heute zu spät mich zu heilen oder mich heilen zu lassen. Nichts bleibt mir übrig als was ich fühle und denke zu verschweigen, mich sittsam und geistes-politisch korrekt zu benehmen, zuversichtlich, dass die allgemein herrschende Indolenz der an nichts liegt als ungestört weiter zu wursteln, mich ungestört in Ruhe lassen wird. Liebe Gertraud, lieber Bernd, bitte seid mir beim Verstecken meines Wahnsinns behilflich. Herzliche Weihnachts- und Neujahrsgrüße an Euch beide. Euer Jochen Genau: Meine Bitte an Euch, mir beim Verstecken meines Wahnsinns behilflich zu sein, ist das Vergehen gegen die Staatsraison das verboten sein muss. Denn dass Wahrheit Lüge ist, und dass Lüge Wahrheit ist, dass Vernunft Wahnsinn, und Wahnsinn Vernunft ist, das alles sind die grundlegenden - was soll ich nun schreiben, Wahrheiten oder Unwahrheiten? wo die Sprache endlich unwiderruflich zerrüttet ist - beide sind die grundlegenden Wahrheiten-Unwahrheiten in deren Abwesenheit die Verständigung zwischen den Menschen, und somit die Gesellschaft unter ihnen unmöglich wird. Joseph Goebbels wo bleibst du, wo unser Donald dich so dringend benötigt? Mit dem Zensieren meines eigenen Schreibens - auch an Euch - habe ich längst den Anfang gemacht, wenn nur aus der Besorgnis entweder anstößig oder langweilig zu werden. Nun aber, in Betracht der WEB.DE Rüge meiner geistigen Bemühungen, bin ich auch dieses Urteils unsicher. Hier also ist ein früherer Entwurf, den meine Selbstzensur unterdrückte: Liebe Gertraud, Lieber Bernd, Euerm Silversterbrief entnehme ich die Ruhe und Zufriedenheit welche Euch in diesen kurzen Wintertagen beseligt. Ich hab mich in ähnlicher Weise mit dem Winter abgefunden, in meinem Fall mit den Beschränkungen des Winters meines (hohen) Alters. Die kleinen Wanderungen oder die weiten Spaziergänge um eine der benachbarten Teiche welche in Spinozas Worten, Deus sive Natura in der Eiszeit als Talsperren bei uns eingerichtet hat, sind mir wegen meiner verkrüppelten Hüften zur Unmöglichkeit geworden. Statt mich in Müllerschem Geist in der kalten Winterluft herumzutreiben: Fliegt der Schnee mir ins Gesicht, Schüttl' ich ihn herunter. Wenn mein Herz im Busen spricht, Sing' ich hell und munter. Höre nicht, was es mir sagt, Habe keine Ohren; Fühle nicht, was es mir klagt, Klagen ist für Toren. Lustig in die Welt hinein Gegen Wind und Wetter ! Will kein Gott auf Erden sein, Sind wir selber Götter ! sitze ich hier am Küchentisch bei zehn Grad im anderweitig ungeheizten Hause, und denke über die Unmöglichkeitskaskaden nach, darin das Leben besteht, gewissenhaft bedacht mich der vielen naheliegenden Absurditäten zu enthalten mit denen ich Euch vielleicht verärgern möchte. Die fast neunzig Jahre, die mir das Schicksal - oder sollte ich schreiben "Deus sive Natura" angekreidet hat, legen mir nahe den Versuch zu machen, einige "Sonetten an Chronos" zu schreiben, ein Versuch der "an und für sich" meinen Größenwahnsinn bekundet, und damit zugleich einen Witz, worüber man lachen muss, bis es einem auf diesem Umwege gelingt sich auch ohne Alkohol in die passend fröhliche Silversterstimmung zu begeben. Meine Kenntnisse von griechischen Mythen sind sehr oberflächlich. Hab' mir aus Trägheit nicht einmal die Mühe gemacht die heute im Internet so leicht verfügbaren Quellen nachzulesen. So viel ich festgestellt hab, ist über Chronos, über den Gott der Zeit, nur wenig berichtet. Von einem Titan Kronos ähnlichen Namens werden Schauergeschichten überliefert. Philologen behaupten dass Chronos und Kronos etymologisch verschieden sind. Tatsächlich aber wurden Chronos und Kronos schon im frühen Altertum verwechselt, auch von Cicero, und besonders von ihm. Mir fällt auf, wie ganz im Allgemeinen und nicht zuletzt in der griechischen Mythologie, das Erleben des Menschen in Sprache niederschlägt, in Worten welche einst wegen der Macht ihres unerschütterlichen Sinns als Götter verherrlicht wurden, hingegen in unserer auf Naturwissenschaft beruhenden Geisteswelt, als unantastbare Begriffe der Mathematik, der Physik, der Chemie: wie etwa Raum und Zeit. ======================= Vom Internet zitiert: "Eine Gruppe anderer Versionen bietet verschiedene Varianten einer abweichenden Überlieferung des Mythos. Eine davon ist die von Damaskios wiedergegebene Fassung aus den „Heiligen Reden in 24 Rhapsodien“, daher spricht man von der „rhapsodischen Kosmogonie“ der Orphiker. In diesem Überlieferungszweig erscheint die Zeit (Chronos) als das Prinzip, das den Ursprung von allem bildet. Chronos bringt zunächst zwei Prinzipien hervor, Aither und Chaos. Die zweite Phase der kosmischen Geschichte beginnt mit der Entstehung des silbrig glänzenden Welteis, das Chronos im Aither erschafft. Aus dem Weltei wird der geflügelte Lichtgott Phanes geboren. Phanes ist eine Hauptgottheit der Orphiker, außerhalb orphischer Kreise scheint er nicht verehrt worden zu sein. Er wird in der spätantiken, vielleicht auch schon in der frühen Orphik mit Eros gleichgesetzt. Seine Gefährtin ist Nyx, die Nacht; ihr vertraut er sein Szepter an. Nyx gebiert den Gott Uranos, der als nächster die Welt regiert. Dies ist die dritte Phase. Uranos wird von seinem Sohn Kronos gestürzt; dieser Machtwechsel leitet die vierte Phase ein. Auf Kronos folgt Zeus, dessen Regierung die fünfte Phase bildet. Zeus verschlingt Phanes, womit er sich dessen gesamte Kraft und Macht aneignet. Mit seiner Mutter zeugt er die Tochter Persephone, mit Persephone den Sohn Dionysos. Später überlässt Zeus die Herrschaft dem noch kindlichen Dionysos, womit die sechste Phase beginnt. Gegen Dionysos stachelt Hera, die eifersüchtige Gattin des Zeus, die Titanen auf. Die Titanen locken Dionysos in eine Falle, töten und zerstückeln ihn. Dann kochen sie seinen Leichnam und beginnen ihn zu verzehren, wodurch sie etwas von seinem Wesen in sich aufnehmen. Zeus überrascht die Mörder jedoch und verbrennt sie mit seinem Blitz zu Asche. Aus der Asche, in der Titanisches mit Dionysischem gemischt ist, steigt Rauch auf und es bildet sich Ruß; daraus erschafft Zeus das Menschengeschlecht. Damit erklärt eine Variante des Mythos die Ambivalenz der menschlichen Natur, die zwei gegensätzliche Tendenzen aufweist: einerseits einen zerstörerischen, titanischen Zug, der zur Rebellion gegen die göttliche Ordnung anstachelt, andererseits aber auch ein dionysisches Element, das zum Göttlichen hinführt. Apollon sammelt die Stücke von Dionysos’ Leichnam ein, Athene bringt sein intaktes Herz zu Zeus, der nunmehr den Ermordeten zu neuem Leben erweckt." Mögliche Sonetten an Chronos lassen noch auf sich warten, bis es mir gelungen sein möchte mir die vorgeblich notwendige Vorbildung zu erwerben, ins Besondere,die näheren Kenntnisse von den modernsten Relativitäts- und Quantentheorien. Zu diesem Zweck hab ich begonnen, verschedene im Internet abgedruckte Vorlesungen nachzulesen. Die beträchtliche Anzahl der kostenlosen Angebote erinnert an ein Missionsunternehmen von Lehrern, von Evangelisten die sich gedrängt fühlen eine alles erleuchtende und allgemein erlösende Wahrheit zu verkünden, die, wie Kaisers neue Kleider von denen, und nur von denen, erkannt wird, die an sie glauben. Ich weiß es nicht. Schwerhörige und Schwergläubige und anderweitig Dummköpfige wie ich, werden verwünscht und verworfen. Aus Erfahrung meine ich zu wissen, dass Sprache aus dem Unbewussten (oder Unterbewussten) und nur aus diesem quillt, und dass ich mich veralbere wenn ich versuche sie zu erzwingen. Jede Gelegenheit die sich mir bietet, nutze ich um die Gedanken und die Sprache wo sie erscheinen zu üben und vielleicht zu betreuen, wie eine wachsende Pflanze. Die Bilder und die Melodieen würden dann, wenn überhaupt, von selbst erscheinen. Mal sehen, ob WEB.DE genügend auf dem Quivive ist, Euch und das restliche Internet vor "the malicious, immoral, or illegal content" dieses Briefes' zu schützen. Verspätete Neujahrsgrüße und Wünsche an Euch beide. Euer Jochen