Am 27. März 2020 Liebe Cristina, Dank für Deine beiden Briefe, der erste vor etwa einer Woche, der zweite kam heute Abend an. Das Lob: “Fantastisch, ganz toll gemacht” will ich nicht wagen, aber ich will es nicht ungesagt lassen, wie ich mich über den Ernst und die Leidenschaft freue, welche unlösliche aporetischen Fragen, wie zum Beispiel, die der Ehrfurcht von dem Leben bei Dir auslösen. Das sind Fragen, die keiner von uns zu entwirren vermag. Die Erzählung von Albert, dem Einsiedler von Bankhead ist "nur" eine Geschichte. Alles Wirkliche ist Geschichte und drängt erzählt zu werden, und indem die Geschichte erzählt, gedeutet und "verstanden" wird, entpuppt sie sich als Mythos. Mein Versuch an einem Opernlibretto: http://ernstjmeyer.ddns.net/ 2. Krötenrettung- Vorläufig endgültige Fassung 10. September 2019 ist auch in seiner Weise ein Kommentar zur Ehrfurcht vor dem Krötenleben. Mein Verständnis von meiner Welt entspringt meinem vorübergehenden, vergänglichen, augenblicklichem Erleben. Mein Versuch dies Erleben in Worten, Erzählungen, Dichtungen mitzuteilen, versagt, denn was ich erlebe erscheint in der Sprache als Unsagbares, als ᾰ̓πορῐ́ᾱ. Dennoch dient das Kunstwerk, zum Beispiel, die Tragödie, obgleich sie so unverständlich ist wie eine Symphonie oder eine Sonate, als Instrument der Verständigung, als Bühne des geistig-seelischen Zusammenseins. Deine Anspielung auf die Ehrfurcht vor dem Leben eines Baumes dessen Früchte man sammelt ohne ihn zu zerschlagen, erinnert mich an ein von Clara Schumann vertontes Lied: Der Wanderer in der Sägemühle Justinus Kerner Dort unten in der Mühle Saß ich in guter Ruh Und sah dem Räderspiele Und sah dem Wasser zu. Sah zu der blanken Säge, Es war mir wie ein Traum, Die bahnte lange Wege In einen Tannenbaum. Die Tanne war mir lebend, In Trauermelodie, Durch alle Fasern bebend Sang diese Worte sie: Du trittst zur rechten Stunde, O Wanderer, hier ein, Du bist’s, für den die Wunde Mir dringt ins Herz hinein. Du bist’s, für den wird werden, Wenn kurz gewandert du, Dies Holz im Schoß der Erden, Ein Schrein zur langen Ruh. Vier Bretter sah ich fallen, Mir ward um’s Herze schwer, Ein Wörtlein wollt’ ich lallen, Da ging das Rad nicht mehr. Liebe Cristine, bleib gesund und froh, und grüße bitte Deine Eltern von mir. Wie stets, Jochen