Gedichte aus Nacht und Umnachtung Sonette an Chronos 1 Am Anfang war das Wort, so auch dein Name Zeitloser Gott auf grenzenlosem Feld. Dein Urbegriff ergibt sich als der Same von einer vorgestellten bunten Welt Doch nur durch mich. Mein Denken und mein Fühlen erst hauchen dir das Mythenleben ein. Mein ungezogenes Gedankenspielen erlaubt es dir, statt Ihm, der Gott zu sein. Wird Jahwe uns erzürnt dafür zerstören dass wir's gewagt mit Ihm zu konkurrieren, erdreisten uns das Gottsein zu probieren anstatt gehorsam, fromm auf Ihn zu hören? Sind wir dem Jahwe hoffungslos verschuldet? Es wird gesagt dass er sehr eifrig ist, ein Gott der keine Nebengötter duldet, und keine Ungehorsamkeit vergisst. * * * * * * 2 Hab' nichts im Sinn als eine Unterhaltung, bin weit entfernt dich sklavisch anzubeten. Mich lockt des Wortes heilige Entfaltung Vernunft und Menschensinn möcht' ich vertreten. Mit mir allein zu reden find ich ungesund Drum suche ich den Freund zu dieser Stund Dem ich des Lebens schicksalsträcht'ge Fülle bar Ausflug, Vorwand und Betrug enthülle. Hab vielerlei im Leben aufgeschrieben und in des Sommers Glut und Winters Eis Die graue Zeit hab müßig ich vertrieben. Das Ende kommt als himmlisches Geheiß. Nur wen'ge Worte bleiben - kurze Fragen Es gibt sonst weiter nichts zu sagen. * * * * * * 3 Chronos, ein Name woher genommen Zeit, welch ein Ort, wohin gekommen Buchesstaben die alles erzählen, Sinnlose Worte die alles verhehlen. Begriffe sind es, die's Weltall erklären Zahlen die's Durcheinander vermehren Die sind labyrinthischer Zaubergarten Volle Pandorakisten die uns erwarten Wo Wege sich zweigen, wo Straßen sich teilen Ecken wo Flüchtlinge bleiben stehn Höfe wo Blicke verloren gehn Sind Träume und Wünsche ohne Glauben sind unerreichbar wie saure Trauben wo wir verzweifelt vorübereilen * * * * * * 4 Chronos, Wort von woher genommen Zeitlos der Ort, wohin ich gekommen Buchstaben sind's die alles erzählen, Sinnlos die Worte die alles verhehlen. Begriffe sind es, die's Weltall erklären Zahlen die's Durcheinander vermehren Im labyrinthischen Zaubergarten Pandorakisten die uns erwarten Leer vor flüchtigen Augenblicken Mit zuckenden Lidern die alles ersticken Ecken wo Flüchtlinge bleiben stehn Höfe wo Blicke verloren gehn Wo Wege sich zweigen, wo Strassen sich teilen indem wir verzweifelt vorübereilen Ach, Träume und Wünsche sind ohne Glauben so unerreichbar wie saure Trauben * * * * * * 5 Chronos du bist die leere Schale übrig geblieben vom Göttermahle mit Sinn sie zu füllen ist meine Pflicht mit Bedeutung sie häufen ist mein Begehren Will alles tun der Wahrheit zu Ehren. Lügen und täuschen darf ich nicht. Kronos, entschuldig' ich hab mich verschrieben Zeit, die ich meinte, bist sauber geblieben Jungfräulich unbefleckt und rein Das bist du Chronos und das sollst du sein. 6 Durch Worte wird die Welt verständlich Auch Du sollst durch das Wort begreifbar1 werden, Such keinen Hintergrund, das Wort ist triftig die einzig guelt’ge Wirklichkeit auf Erden Das ist ein Irrtum, hör ich dich erwidern. Das einzig Wirkliche ist Dein Erleben Lass uns das schwere Dasein nicht zergliedern Wir woll' in unsrer Welt zusammen leben. Wie ists geschehn dass wir einander kennen Wohnst Du denn nicht in grenzenlosem Sein Indessen ich, das muss ich dir bekennen, bin nichts, ein Strich, ein Punkt, unendlich klein. 7 Nichts wird zu nichts, was übrig bleibt sind Scherben Gedankenschatten sind der Worte Erben In Schlaf, in dunkle Träume längst versteckt, Bedeutend einst, als Unsinn jetzt entdeckt Ich seh dich stehen Sonne hoch am Himmel Gedankenlicht, zeitloser (Du Chronos) Gott der Zeit unendlich ohne Grenze hoch und breit herrscht deine Ortschaft an dem Sterngewimmel Du bist unendlich, ohne Hier und Dort Kennst keinen Anfang, Du, und weißt kein Ende Verständlich nur als zeitlos große Wende Denn nirgends ist und überall dein Ort. 8 Ein Teil von mir, Du Balsam meiner Schmerzen. Du machst mich selig, auch wenn du mich störst. Die Stelle wo Du wirklich hingehörst: Versteckt in meiner Seele, tief im Herzen Da stiftest du den heil'gen stillen Frieden. Die große Liebe und die ew'ge Ruh. Ein Himmel wird von Dir in mir beschieden. Der Sterne hellster leuchte mir nur zu. Wer bist du Chronos, was ist deine Herkunft? Was war zuvor, und was wird nach dir sein? Wenn vor und nachher nichts, wärst du dann alles? Und wenn du Alles bist, dann bist du mein.