From: Bernd Strangfeld To: Ernstmeyer Subject: Jontanels Date: Mon, 6 Jul 2020 17:39:56 +0200 Lieber Jochen, Jontanels hinter Gatuzières Mein Stuhl ust zu niedrig, obwohl wir schon unsere Kopfkissen zwecks Sitzerhöhung benutzen. Soeben habe ich einen Kaisermantel - enen sehr großen, schönen orangefarbenen Falter - nach draußen befördert, oben an der Wand sitzt noch einer, und gestern waren es auch mehrere. Alles blüht und lebt voller Falter und anderer Insekten, es ist heiß und sehr windig. Wir sind hier sehr beschäftigt, heute früh haben wir Erbsen gepflückt und ausgepult, dabei Mozarts c-moll-Messe gehöert (ich liebe sie), dann witer gärtnerisch gewirkt, d.h. Unmengen von brennesseln rausgezogen und mit Brombeeren gekämpft, um allmählich das darunter verborgene Gelände freizulegen, das, hübsch stufenartig vor einer hohen Trockenmauer geleen, ursprünglich ein größeres Gartenbeet darstellte. Wir finden aber außer einer Grabegabel keine Werkzeuge. Doch, eine Spitzhacke, nicht spitz. Nach lngerer Mittagspause dann angefangen, den oberen Kaninchenstall auszumisten, wobei Unmengen von Altmist zutage traten. Heu oben drauf, das verdeckt so manches. mmer wieder Grünfutter für die 5 Kaninchen und ein Meerschwein , einmal 3 und einmal 4 Hühner sammeln. Im Gemüsegarten wächst prächtig der Salat, so viel können wir unmöglich essen, also dürfen die Tiere auch daran teilnehmen. Sie danken es durch beträchtlichen Fresseifer. Dabb gibt es noch eineHuhnmutter mit 7 entzückenden Küken, heute 7 Tage alt, die sich draußen bewegen dürfen, ebenso wie ein Huhn mit halbwüchsiger Tochter. Auf der anderen Seite der Jonte ist ein größeres Terrain umfriedet von einem hohen dichten Zaun, unter leichtem Strom, wo sich 2 Gänse und 14 Hühner samt einem Hahn tummeln dürfen, darin eine Art Planschbecken für die Gänse. Abends werden alle Tiere eingeschlossen, d.h. verwahrt, damit der Fuchs - oder die Füchsin, vielleich t auch mit Sorgen, wie sie ihre Kleinen ernähern kann - hier keine Beute machen kann. An drei Stellen könnten Eier zu finden sein: bei den 14 Hühnern mit Hahn, bei zwei weiteren Freigehegen, einmal 2 Hühnern und einem Hahn und einmal mit drei Hühnern und einem Hahn. Abends suchen wir also in allen Nestern, die in Frage kommen. Meist finden wir sieben eher kleine Eier, bedanken uns und wünschen gute Nacht,mal französisch, mal deutsch. Sie kennen unsere Stimmen und sind beruhigt. Morgens werden alle gefüttert, in einigen Fällen gibt es automatische Futterspender, aber die Kaninchen und die beiden Mütter mit Kind bzw. Kindern bekommen Futter per Hand. Ich habe, als wir eingewiesen wurden, eine din-A-Seite beschrieben und morgens und abends mitgeführt. Allmählich können wir das Meiste auswendig. Dazu kommt Snoopy, die schöne, liebenswürdige 12jährige Border-Collie-Hündiin, und Yuka, die Katze. Snoopy musste am 23.6. an einem Tumor an den Zitzen operiert werden und trägt seither einen dieser schrecklichen Halskragen, wodurch sie daran gehindert wird, die Wunde zu lecken. 30 cm Durchmesser! Sie leider sehr. Am Tag, bevor unsere Freunde abfuhren, haben ihre "Eltern" den kragen entferaber sie fing gleich lebhaft an zu leckn, die Haus ringsum war entzündet und sah bedenklich aus, also haben wir de Kragen am nächsten Tag wieder angebracht (unsere Freunde am Tage hrer Abfahrt). Die Entzündung aber schritt fort. Zum Glück besuchte uns gestern unsere Freundin Karina, Töpferin und unglaublich tierlieb und-kundig und fürsorglich, mit ihrem Lebensgefährten, ähnlich gesonnen, und sie haben Snoopy gründlich untersucht (Karina hatte auch schon mal einen solchen Hund und überhaupt mehrere Hunde, dazu viele Katzen, etc.), festgestellt, dass die entzündeten Gegenden eiterten, nicht aber glücklicherweise die Narbe. Wir durchsuchten das Haus nach Desinfektionsmitteln und anderem medizinisch Erforderlichem, fanden etwas, und während ich die immer noch mit Kragen versehene Snoopy , die am Boden las, hielt und kraulte und besänftigte, suberte Karina ausdauernd und sorgfältig die wunden Stellen, schnitt im weiten Umkreis die prächtigen Haare ab (das hätte der Tierarzt viel weiträumiger tun müssen) und cremte alles mit Wundsalbe ein. Uff! Wir waren erleichtert und überlegten lange, ob wir am nächsten Tag, also heute, uns telefonisch (wir sind heram Ende der Welt) mit dem Tierarzt in Verbindung setzen und vielleicht ein Foto von der kranken Gegend schicken sollten. Heute Morgen besahen wir die wunde Gegend - keine Verschlimmerung, schien es -, und beschlossen, den Kragen zu entfernen und abzuwarten, wie sich alles ntwickeln würde. Snoopy machte einen munteren Eindruck. Also:Kagen ab, Hund erleichtert, leckte gleich eifrig, aber nicht pausenlos, und scheint nun wieder "en bonne forme" zu sein. Wir atten aber dieser Tage bei der zierlichen Katze eine gewisse Rundung des Bauches festgestellt. Unsere Freunde, mit Katzen sehr erfahren, bestätigten, dass sie wahrscheinlich schwanger ist. Bloß kein Kindbett, bevor die Hausbesitzer zurück sind! Außerdem hat Snoopy, längere Zeit imMittelpunkt aller Zuwendungen, heute sehr eifersüchtiges Verhalten gegenüber diesem kleinen Tierchen an den Tag gelegt. Ich hoffe, dass meine heftige Missbilligung zu Verhaltensveränderung führt. Du siehst, lieber Jochen, dass uns allerlei bewegt, wovon wir in Kierspe gänzlich unberührt sind. Das hier ist Landleben in ziemlich reiner Form. TAgsüber bleibt das Haus unverschlossen, wenn wir weggehen. Es erinnert mich vieles an meine frühe Kindheit. In St.-Pierre wren wir auch schon, unseren an Lungenkrebs schwer erkrankten Nachbarn und Freund besuchen. Viele Touristen und Autos, nicht mehr unsere Heimstatt. Im Garten blühen wunderbar und üppigst die goldene Santolina und mehrere riesige Laveldelbüsche, auch die aus Kierspe importierten blauen Kugeldisteln, aber dieses Jahr werde ich wohl nicht mehr darin arbeiten. Wir haben den Garten vor 15 Jahren angelegt, und seither habe ich jedes Jahr einige Tage darin darin gewirkt. Sonst rhrt niemand auch nur den kleinsten Finger. Vor lauter Aufregung habe ich letzte Nacht sehr schlecht geschlafen, aber das ist wirklich egal. Drück die Daumen, dass Snoopy bald ganz genesen kann! Sie hat viel Schlimmes durchgemacht und war immer unglaublich geduldig. Keine Gedichte diesmal. In Kierspe haben wir mehr Muße. Alles Gute für Dich! Liebe Grüße von Deinen Gertraud und Bernd.